Der Lebenshof für gerettete Tiere wurde 2020 als gemeinnütziger Verein gegründet und liegt in Mörlenbach. Er beherbergt heute zahlreiche Tiere, die hier bis an ihr natürliches Lebensende bleiben können. TIERISCH GUT war einen Tag lang vor Ort, um den Hof und seine Bewohner kennenzulernen.

Kälbchen Wilma und Rosi, Foto: Tobias Arnold

Wochenende heißt auf dem Lebenshof: Projektzeit. Schon morgens geht es los. Etwa zehn Helfer sind gekommen, um kräftig anzupacken. Für sie gibt es hier auf dem Hof immer etwas zu tun: Dieses Wochenende stehen die Zäune an. Bald ist der Frühling in vollem Gange und somit auch die Weidesaison. Für die rund vier Hektar große Kuhweide müssen Pfosten und Zäune platziert und Weidetore gebaut werden. Die zwei Ziegen des Lebenshofes, Idefix und Emil, bekommen außerdem einen neuen Unterstand. Bevor es an die Arbeit geht, werden aber die neusten Lebenshof-Mitglieder angeschaut: Die circa sechs Wochen alten Kälbchen Wilma und Rosi. Erst wenige Tage sind sie hier auf dem Hof und schauen die Menschen mit ihren großen dunklen Augen schüchtern aus ihrem Stall an. Sie kommen aus einem landwirtschaftlichen Betrieb, der selbst zu einem Lebenshof wird. Leider war nicht für alle Tiere Platz, also nahm der Lebenshof Odenwald die zwei Kälbchen auf.

Der Lebenshof – von Ursprung und Reise

Die Geschichte des Lebenshofes begann mit der Geschichte von Joar Berge. Er wuchs im Odenwald auf, hatte in Kindertagen bereits Kontakt mit Rindern und lernte diese Tiere lieben. Nach einer Zeit abseits von Natur und Tieren, in den niemals schlafenden Großstädten der Welt, lassen ihn diese Erfahrungen mit Kühen wieder in seine Heimat zurückkehren. Es entsteht die Idee, zwei Rindern einen Platz zum Leben zu schenken. Geworden sind es Dagi und Emma. Doch allein bleiben die zwei nicht. Joars Zusammensein mit seinen Kühen lässt ihn zu einem Entschluss kommen: Er möchte weiteren Tieren einen Platz auf Lebenszeit bieten, ohne dass dieser Platz an einen wirtschaftlichen Nutzen gebunden ist. Joar gründet mit einigen Freunden den gemeinnützigen Verein Lebenshof Odenwald e.V. und ist seither auch erster Vorsitzender. Dagi und Emma sind der „Grundstein“ der bunten Tierfamilie, die seit der Gründung stetig gewachsen ist. Ende letzten Jahres war zu wenig Platz für alle tierischen Hofbewohner, also zog der Lebenshof auf den Scholzehof nach Mörlenbach-Bonsweiler um, wo TIERISCH GUT ihn besucht: „Es gibt deutlich mehr Platz und Möglichkeiten für uns, uns zu entfalten. In der Zwischenzeit konnten wir einige Tiere mehr aufnehmen. Dabei werden wir von der tollen Familie sehr unterstützt, denen der Hof gehört. Es sind viele weitere Menschen dazu gekommen, die sich tagtäglich und ehrenamtlich um das Projekt kümmern. Ich selbst darf auf dem Hof wohnen – ganz nah bei den Tieren“, erzählt uns Joar.

» Während ich weiter dasitze, erfüllt mich tiefe Dankbarkeit. Für die Liebe, mit der mich die Tiere in ihrer Mitte aufnehmen. Für den Frieden und die Geborgenheit, mit der sie mein ganzes Leben bereichern.  « Joar Berge

Joar Berge mit Dagi und Emma, Foto: Tobias Arnold

Der Lebenshof und seine Menschen

Viele Tiere brauchen viel Pflege. Diese Pflege übernehmen neben Joar um die zehn Ehrenamtliche. Unter der Woche teilen sie sich auf. Es muss täglich gefüttert und gemistet werden. Auch Organisation nimmt viel Zeit in Anspruch, beispielsweise wird über „Foodsharing“ Grünfutter für die Hasen und Hühner eingesammelt. Am Wochenende ist Zeit für alles, was im Alltag liegenbleibt. Dann kommen zum festen Kreis an Ehrenamtlern noch weitere motivierte Freunde des Lebenshofes vorbei, um bei allem zu helfen, was anfällt. Das Zusammensein mit den Tieren gibt den Menschen viel zurück. Das Beobachten der Tiere tut Geist und Körper gut. Manon erzählt: „Nach einem langen Tag im Büro mit unseren zwei Ziegen spazieren gehen – das lässt meinen Kopf sofort frei werden und entspannt!“

Gleiche Schicksale, einzigartige Charaktere

Einfach Tier sein. Das dürfen alle Schützlinge des Lebenshofes. Hier leben Tiere, welche für ihre Besitzer keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr erbringen konnten: Zu klein, zu alt, zu unrentabel. Vom Zwerg­hahn bis zum großen Ochsen, alle Tiere des Lebenshofes hätte ein ähnliches Schicksal erwartet. Verhindert und in eine schöne Geschichte verwandelt haben das die Menschen, die sich für den Lebenshof einsetzen. Sie sind es auch, die die Tiere seit ihrem ersten Tag auf dem Hof kennen und uns ihre Geschichte erzählen.

Kuh Lotti ist ein Zwilling. Die meisten weiblichen Zwillingskühe sind unfruchtbar – so auch sie. Als Milchkuh wäre sie unbrauchbar gewesen. Der Lebenshof rettete sie. „Sie war am Anfang ein Wackelkandidat, da sie sehr klein und schwach war. Heute ist sie kerngesund und einer unserer größten Kühe“, erzählt uns eine Ehrenamtliche des Hofes, während wir mitten in der Kuhherde stehen.

Kuh Lotti (li.) und eines der Minischeine; Fotos: Tobias Arnold

Die Minischweine Freddie und Fridolin wurden mit ihren Geschwistern als Ferkel im Wald ausgesetzt. Doch zunächst wollten die flinken Schweine scheinbar nicht gerettet werden und flüchteten vor Menschen. Eine wilde Verfolgungsjagd zog sich tagelang hin, bis alle Ferkel eingefangen werden konnten. Heute sind Freddie und Fridolin Teil der vierköpfigen Schweinefamilie und bringen mit ihrem Schweinsgalopp und Gequieke jeden zum Lachen. Fressen, Freunde und Matsch zum Suhlen, so fühlt man sich „sauwohl“!

Die Geschichte der Putenfamilie macht deutlich: Man kann nicht unendlich viele Tiere retten. Die Entscheidung, welche die Glücklichen sind, ist für die Leute des Lebenshofes oft nicht leicht. „Bei den Puten haben wir gesagt, wir nehmen einfach die drei, die zuerst aus dem Gehege laufen, sobald das Gatter offen ist“, erzählt eine Helferin über die drei Puten.
Alle Tiere des Kleintiergeheges bilden eine Art Wohngemeinschaft: Schweine, Hühner, Puten und Kaninchen. Sie beachten sich meistens nicht und leben nebeneinanderher, sagen die ehrenamtlichen Fütterer und Pfleger. Doch auch zwischen den verschiedenen Tierarten gibt es Freundschaften. Polly ist dafür das beste Beispiel. Die mittlerweile verstorbene Hühnerdame hatte eine besondere Bindung zu den Hasen. Eine Ehrenamtliche erinnert sich: „Polly war immer in der Nähe der Kaninchen. Nachts im Stall hat sie nicht auf der Hühnerstange geschlafen, sondern bei den Kaninchen im Stall. Aber auch die Kaninchen haben sie gemocht. Manchmal haben sie Polly gesucht und haben dafür ihren Schlafplatz aufgesucht.“

Der Helfertag hat nun Halbzeit. Jeder kommt zum Kuchenbuffet, um sich zu stärken. Auch die Neuankömmlinge Wilma und Rosi bekommen zum Mittagessen ihre Kälbchenmilch, die Joar akribisch zubereitet. Anfangs wollen die zwei noch nicht trinken, doch mit Ruhe und Geduld schafft Joar es und sie trinken die Ersatzmilch aus den Eimern. Danach geht es für alle direkt weiter mit den Projekten. Jetzt kommen auch viele Alltagsaufgaben dazu, wie etwa die Ställe säubern.

Foto: Tobias Arnold

Unterstützung gesucht!

Der Lebenshof finanziert sich durch Spenden. Interessierte können ab 5 Euro monatlich die Patenschaft für ein Tier übernehmen oder sich durch eine allgemeine Hofpatenschaft beteiligen. Für Paten, Spender und Interessierte ist der Besuch des Lebenshofes kostenlos auf Anfrage möglich.

https://lebenshof-odenwald.de

Buchtipp

„Der Weg zu mir selbst führte mich zurück auf die Kuhweide.“

Mit dem Buch wünsche ich mir, viele Menschen dazu zu inspirieren, ihre Träume zu leben. Zudem möchte ich als Botschafter den sogenannten Nutztieren eine Stimme geben. Ich wünsche mir, dass dieses Buch das Herz vieler Menschen berührt, so wie das Leben mit den Tieren jeden Tag das meine berührt.  Joar Berge