Cativity – auch Katzen wollen beschäftigt werden

Im Handel gibt es mittlerweile viel Katzenspielzeug. Dabei muss man gar nichts kaufen, um seinen Stubentiger artgerecht zu beschäftigen. Katzenpsychologin Carmen Schell aus Dieburg hat vier simple Tipps, die keinen Cent kosten – und eine Empfehlung, die sich besonders für Wohnungskatzen lohnen kann.

Von Mara Pitz

Die Katze gilt als anspruchsloses Haustier: Tagsüber schläft sie im Sessel, nachts geht sie draußen auf Streifzüge, und wenn man im Urlaub ist, übernehmen die Nachbarn die Fütterung. „Damit tut man Katzen Unrecht“, findet Carmen Schell. Die 42 Jahre alte Dieburgerin ist Katzenexpertin und berät Halter bei Problemen mit dem Stubentiger, etwa bei Unsauberkeit oder wenn sich zwei Katzen im Haushalt nicht vertragen. Viele Probleme mit Katzen ließen sich mit ausreichend Beschäftigung verhindern, ist Schell sicher. Ein Kernproblem ist Langeweile zuhause, vor allem bei Abwesenheit der Menschen. Auch eine Zweitkatze schafft hier nicht immer Abhilfe. Denn oft dient sie als Kuschel-, aber nicht als Spielpartner, erklärt die Katzenpsychologin. Deswegen hat Schell „Cativity“ erfunden. Das Wort ist eine Mischung aus dem englischen Cat (Katze) und Activity (Aktivität) und ist angelehnt an „Agility“ aus dem Hundesport. Mit den folgenden Tipps kann man Cativity in den eigenen vier Wänden umsetzen.

Eine Deckenburg bauen: Katzen sind vorwiegend in der Dämmerung aktiv, oft aber auch nachts, wenn ihre Menschen schlafen. Carmen Schell kennt einen einfachen Trick, um dem Stubentiger nachts Abwechslung zu bieten: „Einfach vor dem Schlafengehen einen Stuhl weg vom Tisch nehmen, ihn quer auf den Boden legen und eine Decke drüber werfen.“ Wenn die Katze nachts durch die Wohnung streift, wird sie von dem „unbekannten Objekt“ mitten im Raum fasziniert sein und – ganz in ihrem Tempo – beginnen, es zu erkunden.

Ein „Activity Board“ basteln: „Activity Boards“ sind Katzenspielzeuge, die es auch im Handel gibt. In verschiedenen Fächern oder Öffnungen lassen sich Leckerchen verstecken. Die Katze muss die Futterstückchen erschnüffeln und sie anschließend mit der Pfote herausangeln. Doch auch hierfür gibt es eine einfache selbstgemachte Alternative: Die Fächer eines Eierkartons werden mit Serviettenschnipseln gefüllt, zwischendrin werden Leckerlis gestreut. Diese Variante eignet sich besonders für Katzen, die gerne und oft ihre Pfoten einsetzen. Oder man legt, bevor man das Haus verlässt, einen sogenannten Futterparcours aus Leckerlis oder Pellets in der Wohnung aus. Das bringt auch träge Katzen auf Trapp, erklärt Schell. „Untersuchungen haben gezeigt, dass Katzen sich danach 30 bis 40 Prozent mehr in der Wohnung bewegen.“

„Tabuzonen“ freigeben: Die eigenen vier Wände werden spannender, wenn sich darin immer mal wieder neue Räume eröffnen, die der Stubentiger erkunden darf. „Man kann die Tür zu einem Zimmer öffnen, das sonst immer verschlossen ist“, erklärt die Katzenexpertin, „also eine Tabuzone in der Wohnung freigeben, die die Katze erkunden kann.“ Auch spannend für den Stubentiger: „Mal einen Tag lang den Kleiderschrank offenlassen.“ Selbstverständlich müsse man immer vorher sichergehen, dass dort keine Gefahren für die Katze drohen. Oder an einen eigentlich zu hohen Schrank wird ein Stuhl geschoben, sodass die Katze hinaufspringen kann.

Laufrad: Eine Katze, die wie ein Hamster in einem Laufrad rennt? Das mag auf den ersten Blick befremdlich wirken. Auch Carmen Schell ging es so – bis sie eines der Räder für ihre eigene Katzenseniorin anschaffte. „Sie hat es super angenommen und ist nachts von alleine darin gerannt.“ Seitdem empfiehlt Schell es gerne ihren Kunden. Besonders für Katzen ohne Freigang und mit großem Bewegungsdrang bietet sich das Rad zum Auspowern an. „Denn: In den wenigsten Wohnungen haben Katzen Platz, mal so richtig loszusprinten.“ Auch von älteren Katzen wird das Rad gerne angenommen, hat Schell beobachtet: „Die gleichmäßige Bewegung scheint den müden Knochen besonders gut zu tun.“ Die Räder gibt es aus Holz oder Kunststoff und in verschiedenen Größen. Wichtig ist, dass das Rad groß genug sein, sodass die Wirbelsäule der Katze darin gerade bleibt. Außerdem müssen viele Katzen erst mal an das Trainingsgerät herangeführt werden. Bei ängstlichen Katzen sollte man das Rad zunächst fixieren und sie behutsam ans Ein- und Aussteigen gewöhnen. Bei Herstellern wie „Canadian Cat“ kostet ein Laufrad etwa 300 Euro, gebraucht sind sie auf gängigen Internetplattformen schon für rund 100 Euro zu haben. Es gibt im Internet auch Anleitungen zum Selberbauen.

Katze in den Alltag einbeziehen: Auch in alltägliche Tätigkeiten lässt sie die Katze einbeziehen. Schell gibt ein praktisches Beispiel: „Bevor ich Nudeln ins Kochwasser gebe, werfe ich der Katze eine einzelne quer durch den Raum“, erklärt Schell. Das weckt den Jagdinstinkt des Stubentigers und macht den Menschen im Alltag spannend für die Katze. Eine andere Idee: Den Karton der letzten Online-Bestellung nicht direkt wegschmeißen, sondern ihn der Katze zum Erkunden stehen lassen. Der wichtigste Tipp ist ohnehin: „Durch die eigene Wohnung gegen und versuchen, sie mit Katzenaugen zu sehen.“ Da kann man auch als Mensch noch etwas lernen.

Katzenpsychologin Carmen Schell aus Dieburg, Inhaberin von Cattalk®, berät Katzenbesitzer, Tierärzte und Tierheime im Rhein-Main-Gebiet und via Online-Coaching zu allen Fragen der Haltung und zu Problemverhalten. Außerdem hält sie Fachvorträge, schreibt Bücher zum Thema (u. a. „Second Hand Katze“) und ist regelmäßig in der TV-Sendung „hundkatzemaus“ (Vox) als Katzenexpertin zu sehen. (Mehr auf www.cattalk.de)