Wenn der beste Freund geht

TrHaustiere sind für viele Menschen Familienmitglieder und werden auch so betrauert. Was empfiehlt eine Expertin trauernden Tierbesitzern und deren Umfeld? Wie schnell darf ein neues Tier angeschafft werden? Und wieviel Tod kann man Kindern zumuten?

Von Mara Pitz

Der 2014 verstorbene US-Musiker Lou Reed („Walk On The Wild Side“) war ein harter Kerl. So zumindest beschreibt ihn seine Weggefährtin und Sängerin Patti Smith in einem Interview. Eines Tages, erinnert sie sich, war sie mit Reed in einem Restaurant verabredet. Als Smith hineinkam, saß Lou Reed am Tisch und weinte. Auf die Frage, was los sei, antwortete er: „Entschuldige, aber ich trauere immer noch um meinen Hund.“ Das Tier war vor Monaten gestorben. Der Tod seines Hundes hatte ihn umgehauen.

Vergangenes Jahr gab die US-Sängerin Katy Perry auf Instagram den Tod ihrer 15 Jahre alten Katze bekannt. „Leider hat Kitty letzte Nacht ihr neuntes Leben beendet. Ich hoffe, sie ruht in Lachsfilets und Thunfisch-Tartar ganz oben im Katzenmiezenhimmel“, schrieb Perry auf Englisch. Mehr als 1,7 Millionen Menschen markierten den Beitrag auf dem sozialen Netzwerk mit einem Herz.

Preußenkönig Friedrich der Große war Zeit seines Lebens Hundefreund. Nach dem Tod seiner Hündin „Biche“ 1752 gestand er in einem Brief: „Ich war beschämt, dass der Tod eines Hundes mir so nahegeht.“ Mehr als 30 Jahre später brach er bei der Nachricht vom Ableben seiner Hündin Alcmène eine Manöverinspektion in Schlesien ab und kehrte nach Sanssouci zurück, um von ihr Abschied zu nehmen.

All das kann vermutlich niemand nachvollziehen, der kein Haustier hat. Hund, Katze und Co sind für viele Menschen Familienmitglieder. Und hinterlassen eine große Lücke, wenn sie gehen. Die Trauer um ein Haustier unterscheidet sich nicht wesentlich von der Trauer um einen Menschen, sagt auch Kerstin Schaum. Trauer lässt sich in vier Phasen unterscheiden, die von Leugnen über Verhandeln bis hin zu Akzeptanz
reichen (siehe dazu Box nächste Seite). Schaum ist ausgebildete Trauerbegleiterin, engagierte sich lange in der Hospizbewegung und hat mehrere Bücher zum Thema Trauer und Verlust geschrieben.

Der Tod von Familienhund „Blacky“ vor fünf Jahren veranlasste sie, ein Trauerbuch speziell für Tierbesitzer zu schreiben. Das Büchlein heißt „Du fehlst mir“ und bietet auch Platz für Notizen und Erinnerungen an das Tier. „Ein trauernder Mensch braucht nicht viel, da reichen manchmal auch nur einzelne Worte“, fasst Schaum zusammen, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Höchst im Odenwald lebt. Wichtig war Schaum, dass das Buch auch für Kinder geeignet ist. Ihre beiden Töchter haben daran mitgewirkt. Trauernden Tierbesitzern rät Schaum, ihren Verlust nicht abzutun, sondern ihn bewusst wahrzunehmen. Auch das Umfeld sollte Verständnis aufbringen, auch wenn vielleicht nicht jeder die Trauer nachempfinden kann. Sätze wie „Reiß dich mal zusammen“ seien fehl am Platz.

„Es war doch nur ein Hund oder es war doch nur eine Katze ist das Schlimmste, was man jemandem in so einer Situation sagen kann“, findet auch Stefanie Greenleaf von „Adieu Tierbestattungen“ in Seligenstadt. Gerade in der Corona-Krise trifft der Tod des Vierbeiners viele Menschen besonders hart, hat die Tierbestatterin beobachtet. „Viele Kunden sagen: jetzt ist gar niemand mehr zuhause, mit dem ich reden kann.“ Die Tiere sind durch Homeoffice und Kontaktbeschränkungen zum wichtigsten Partner im Alltag geworden, und das nicht nur für Senioren. Wie groß die Lücke ist, die der Vierbeiner nach dem Tod hinterlässt, weiß Greenleaf aus Erfahrung. „Ich habe selbst auch einige Tierurnen im Regal stehen und kann den Schmerz gut nachfühlen.“ Das ist für sie eine Grundvoraussetzung für ihren Job.

Kerstin Schaum mit Buddy

Auch Trauerexpertin Kerstin Schaum empfiehlt eine würdige Beerdigungszeremonie, um Abschied vom Haustier zu nehmen. Ein erster Schritt nach dem Tod kann auch sein, sich den Körper des verstorbenen Tieres bewusst noch ein Mal anzusehen. Dieses Ritual könne auch Kindern helfen, den Verlust zu begreifen, so Schaum. Ein Patenrezept fürs Trauern gibt es aber nicht, betont Schaum. „Jeder muss seinen eigenen Trauerweg gehen.“ Viele Menschen gehen gerne in die Natur oder an vertraute Orte, um sich mit ihren Gefühlen zu beschäftigen.

In jedem Trauerprozess gebe es einen Punkt, an dem der Betroffene an die nächsten Schritte denken könne: „Möchte ich wieder ein Tier? Oder setze ich meine Tierliebe anders um, engagiere mich im Tierschutz?“ Wie lange es dauert, bis der Mensch an diesen Punkt kommt, ist ebenfalls individuell. Kerstin Schaum rät dennoch davon ab, sich sofort nach dem Tod ein neues Haustier anzuschaffen, quasi als Ersatz. In ihrem Fall sei es mit dem neuen Hund dann doch schneller gegangen, als sie es wollte. Auf „Blacky“ folgte der Shi-Tzu-Mix „Buddy“. „Die Kinder wollten es so“, erklärt Schaum. „Ihnen hat der Hund im Alltag sehr gefehlt.“

Übrigens: Friedrich der Große besaß bis zu seinem Tod 1786 elf Hunde, allesamt Windhunde. Alle wurden seinerzeit auf der Schloss­terrasse von Sanssouci in Potsdam beerdigt. Bis heute erinnern Sandsteinplatten mit ihren Namen an sie.

Die fünf Trauerphasen

Die Begründerin der modernen Sterbeforschung Elisabeth Kübler-Ross hat den Ablauf der Trauer in fünf Phasen beschrieben. Sie lassen sich laut Kerstin Schaum auch auf die Trauer um ein Haustier anwenden.

Leugnen: Es kann nicht wahr sein!
Zorn: Wer hat mir das angetan?
Verhandeln: Wie kann ich es wieder gut machen?
Depression: Ich kann es nicht abwenden!
Akzeptanz: Ich akzeptiere die Situation.

Buchtipps zum Thema

Du fehlst mir – Mein Tiertrauer­buch von Kerstin Schaum, Parzellers Buchverlag & Werbemittel

Nicht nur dein Tier stirbt – Geschichten und Forschungen zur Trauer um Haustiere von Marion Schmitt u. a., Verlag Kern

Mehr als nur eine Katze – ein Trost und Erinnerungsbuch von Kristin Hoffmann, Gütersloher Verlagshaus

Mehr als nur ein Hund – Ein Erinnerungsbuch von Anne Seven, Gütersloher Verlagshaus

Bikos letzter Tag von Saskia Hula, empfohlen für Kinder ab vier Jahren, Klett Kinderbuch