Kaninchen gelten als Einsteigerhaustiere ohne große Ansprüche – zu Unrecht. TIERISCH GUT klärt die häufigsten Irrtümer über die süßen Mümmelmänner auf und zeigt, für wen sie wirklich geeignet sind.
Von Mara Pitz

Kaninchen gehören zu den beliebtesten Haustieren. Schätzungsweise drei Millionen Exemplare leben in deutschen Haushalten. Ihre Vorzüge liegen auf der Hand: Sie fordern keine täglichen Gassirunden ein, sind nicht teuer in der Anschaffung und man braucht keine Zustimmung des Vermieters, um sie halten zu dürfen. Und dann sind sie mit ihren Kulleraugen und den langen Ohren einfach sehr, sehr niedlich. Zwergkaninchen gelten als einfach zu halten und anspruchslos. Das ist ein großes Missverständnis, sagen dagegen Leonie Jung und Kathrin Hentzschel. Die beiden Frauen halten selbst seit Jahren Kaninchen und engagieren sich in dem Verein „Kaninchenberatung e. V.“, der bundesweit Haltern mit Rat und Tat zur Seite steht. Leonie Jung und Kathrin Hentzschel haben es sich zur Aufgabe gemacht, über die missverstandenen Mümmelmänner aufzuklären. Doch was sind die größten Irrtümer? TIERISCH GUT ist sie mit den beiden Expertinnen durchgegangen.
Kaninchen sind nicht so anspruchsvoll.
Kaninchen werden einfach viel zu oft unterschätzt, sagt Leonie Jung, die mit ihrem Mann, dem dreijährigen Sohn und vier Kaninchen in Dieburg lebt. „Sie sind was die Haltung angeht, mindestens genauso anspruchsvoll wie Katzen.“ Man könne sie auch als „vegane Katzen“ bezeichnen. Das Problem: Kaninchen leiden häufig still, weshalb ihre Unzufriedenheit oft unbemerkt bleibt. Manchmal äußert sie sich auch durch Aggressivität oder Futterneid gegenüber Artgenossen.
Kaninchen können alleine gehalten werden. Dieser Irrglaube ist glücklicherweise nicht mehr so weit verbreitet wie früher, sagt Kathrin Hentzschel, die in Neuhofen in der Pfalz lebt und ihren Kaninchen einen Wintergarten hergerichtet hat. Und das sei enorm wichtig, denn: „Ein Mensch kann niemals einen Artgenossen ersetzen.“ Zwergkaninchen stammen von Wildkaninchen ab, die in unterirdischen Bauten in großen Gruppen zusammenleben. Kaninchen putzen sich gegenseitig, schlafen aneinandergekuschelt und spielen miteinander. Deswegen müssen Kaninchen stets mindestens zu zweit gehalten werden. Der Deutsche Tierschutzbund rät sogar zur Kleingruppenhaltung von drei bis fünf Tieren.

Kaninchen kann man im Käfig halten.
„Eine reine Käfighaltung wird dem Bewegungsbedürfnis von Kaninchen nicht gerecht“, stellt Leonie Jung klar. „Leider werden im Handel immer noch Käfige mit 1,20 Meter Länge angeboten.“ Das sei viel zu klein, sagt Jung. Das Gehege für ein Kaninchenpaar sollte laut Hentzschel und Jung mindestens vier Quadratmeter groß sein, „eher mehr“. Bei größeren Rassen ab drei Kilogramm Körpergewicht sollte man mit sechs Quadratmeter rechnen. Für jedes weitere Kaninchen kommen zwei Quadratmeter hinzu. Neben der notwendigen Einrichtung wie Toilette, Futter- und Trinknapf und Heuraufe benötigen die Kaninchen in ihrem Gehege ausreichend Versteck- und Spielmöglichkeiten, damit ihnen nicht langweilig wird.
Kaninchen können im Winter nicht draußen gehalten werden.

Das Gegenteil ist der Fall: Die Außenhaltung ist die artgerechteste Form der Kaninchenhaltung, sagen die Kaninchenberaterinnen. Auch laut dem Tierschutzbund können Kaninchen das ganze Jahr über draußen in einem gesicherten Freigehege verbringen. Generell sind sie für Kälte viel weniger anfällig als für Hitze. Wichtig ist aber, dass Kaninchen rechtzeitig auf den Winter im Freien vorbereitet werden. Spätestens bis Ende August sollen die Tiere an die Außenhaltung gewöhnt werden. Ab dann sollten die Kaninchen nicht mehr ins Haus geholt werden, auch nicht mehr für wenige Minuten am Tag. Beginnt man im Frühjahr mit der Außenhaltung, dürfen die Tiere hinaus, wenn die Temperaturen nicht mehr unter zehn bis 15 Grad fallen. Wer keinen Garten, aber genügend Platz im Haus hat, kann den Kaninchen ein ganzes Zimmer einrichten. Aber auch eine Haltung auf dem Balkon, auf der Terrasse oder im Wintergarten ist denkbar.
Kaninchen und Meerschweinchen sind tolle Partner.
Dieser Irrtum hält sich besonders hartnäckig, wissen die Kaninchenberaterinnen. Dabei sind die beiden Arten so grundverschieden, dass sie sich bestenfalls dulden. Kaninchen sind etwa in der Dämmerung aktiv, Meerschweinchen tagsüber. Kaninchen leben ohne Laute, während Meerschweinchen sich durch gurren, quieken oder glucksen verständigen. Beide Arten kommunizieren zwar mit Düften, können aber mit den Gerüchen der jeweils anderen nichts anfangen. Missverständnisse oder gar Aggressionen sind vorprogrammiert, wobei Meerschweinchen oft den Kürzeren ziehen. „Wenn man Kaninchen und Meerschweinchen zusammenhält, dann immer mehre Exemplare einer Art“, rät Leonie Jung. „Außerdem sollte man den Meerschweinchen Rückzugsräume im Gehege schaffen, zu denen die Kaninchen aufgrund ihrer Größe keinen Zugang haben.“ Noch besser ist es aber, sich von vorneherein für eine der Arten zu entscheiden, empfiehlt auch der Deutsche Tierschutzbund.
Man kann Kaninchen nicht frei im Zimmer laufen lassen.
Viele Menschen haben Bedenken, dass die Tiere überall ihren Kot fallen lassen oder Möbel anknabbern. „Nicht alle Kaninchen knabbern alles an“, sagt Jung. Hier gebe es Unterschiede je nach Charakter. Die meisten Kaninchen werden stubenrein und gehen auf ihre Kaninchentoilette, so die Beraterinnen. Wer sein Kaninchen frei im Zimmer laufen lässt, muss aber auf jeden Fall Stromkabel gut sichern. Auch Zimmerpflanzen sollten außerhalb der Reichweite gebracht werden, denn die sie sind in aller Regel giftig für die Tiere, erklärt Leonie Jung. Eine Ausnahme bildet die Grünlilie. „Sie kann ohne Bedenken verfüttert werden.“
Kaninchen ernähren sich von Trockenfutter und Karotten.
Karotten mögen Kaninchen zwar sehr, sie sollten aber wegen des enthaltenen Zuckers nicht zu viel davon bekommen. „Das ist wie bei uns mit der Schokolade“, sagt Hentzschel. Stattdessen benötigen die Tiere ständig rohfasserreiche Nahrung, damit sich ihre stetig nachwachsenden Zähne abreiben können. Die Nahrung sollte in erster Linie aus frischen Kräutern und Gräsern sowie Heu bestehen. Futterpellets aus dem Zoofachhandel sind ungeeignet, sagt Kathrin Hentzschel, weil sie meist fast zu 100 Prozent aus Getreide bestehen. Auch viele Leckerlis aus dem Handel sind ungeeignet, ebenso hartes Brot. Ergänzt wird die Kaninchen-Ernährung durch Gemüse und Obst in Maßen.
Das Verdauungssystem von Kaninchen ist darauf angewiesen, ständig frische Nahrung zu bekommen. Ihr Darm hat keine Eigenmuskulatur, der den Nahrungsbrei weiterbewegt. Stattdessen muss ständig Nahrung „von oben“ nachkommen. Man spricht auch vom „Stopfdarm“ und „Stopfmagen“. Ein Kaninchen frisst deswegen quasi den ganzen Tag: Innerhalb von 24 Stunden nimmt es mehr als 100 kleine Mahlzeiten zu sich. Wenn ein Kaninchen aufhört zu fressen, kann es deswegen sehr schnell gefährlich werden. „Das ist dann sofort ein Fall für den Tierarzt“, warnt Leonie Jung.
Kaninchen sind die perfekten Haustiere für kleine Kinder.
„Kaninchen sind keine Kuscheltiere und werden nur sehr ungern hochgenommen“, stellt Leonie Jung klar. Anders als weitläufig verbreitet sind die Langohren keine Anfängerhaustiere. Deswegen sind sie eher für ältere Kindern geeignet, die Freude am Beobachten haben. Dem Gehege sollte man sich nur langsam nähern und ruhig mit den Tieren sprechen. Häufiges Kuscheln und auf den Arm nehmen kann weibliche Kaninchen sogar krank machen, warnt der Tierschutzbund. Denn Kaninchen haben keinen saisonal geprägten regelmäßigen Eisprung, sondern bekommen ihn erst beim Deckakt – oder durch ähnliche Reize wie einem festen Druck auf den Rücken oder eben Streicheln. Durch die so ausgelösten Scheinschwangerschaften kann es langfristig zu Tumoren an Gesäuge und der Gebärmutter kommen.
Kaninchen sind friedfertige Tiere und verstehen sich immer.
Dass dies nicht stimmt, erleben die beiden Kaninchenberaterinnen ständig. Jung: „Meistens werden wir gerufen, wenn es Probleme zwischen Artgenossen gibt.“ Kaninchen fechten ihre Rangordnung in Kämpfen aus, die heftig aussehen können. „Da fliegt schon mal Fell, und viele Besitzer wissen dann nicht: Soll ich eingreifen oder es laufen lassen?“, berichtet Jung, die selbst vor Jahren wegen Kämpfen zwischen ihren Tieren Hilfe bei der Kaninchenberatung suchte, bevor sie Teil des Beraterteams wurde. Tatsächlich sind viele Konflikte zwischen Kaninchen harmloser als sie aussehen, erklärt Jung. Manchmal müsse man Kleinigkeiten in der Haltung ändern. In anderen Fällen haben die Menschen aber auch schlicht den falschen Partner für ihr Kaninchen ausgesucht. Dies passiert etwa, wenn nach dem Tod eines Kaninchens ein neuer Partner für das verbliebene Tier ins Haus geholt wurde, der charakterlich partout nicht passt.

Für solche Situationen gibt es bei Facebook spezielle „Partnerbörsen“ für Kaninchen, wo Halter den passenden Partner für ihr „verwitwetes“ Tier suchen. Der Vorteil: „Der Vorbesitzer kennt die Tiere sehr gut und kann ihre Charaktereigenschaften gut beschreiben.“ Die Gruppen nennen sich „Kaninchen Partnerbörse“, „Kaninchenglück – Gemeinsam statt einsam“ oder „Ältere Kaninchen wollen glücklich sein“ und haben mehrere tausend Mitglieder. „Solche Gruppen sind sehr sinnvoll“, sagt Hentzschel. Auch ein Kaninchen aus dem Tierschutz ist eine gute Option. „Die Tierheime sind voller Kaninchen, weil sie so oft unüberlegt angeschafft und dann wieder abgegeben werden.“ Die Pfleger könnten auch beraten, welches Zweitkaninchen zum Ersttier passen könnte.
Übrigens können auch zwei Männchen miteinander gehalten werden. Sie sollten aber kastriert werden. Dies sollte man auch in Konstellationen mit einem Weibchen tun, denn sonst hat man schnell eine ganze Kaninchenschar zuhause. „Es ist kein Zufall, dass es heißt, die vermehren sich wie die Karnickel“, sagt Kathrin Hentzschel.
Mehr Infos zur Kaninchenhaltung
Der Verein Kaninchenberatung e. V. gibt auf seiner Seite umfassende Tipps zur Anschaffung, Haltung und Ernährung. Über die Seite kann man auch Kontakt zu Leonie Jung, Kathrin Hentzschel und den anderen Experten in ganz Deutschland aufnehmen. Die Beratungen finden online oder bei Hausbesuchen statt und sind kostenlos. Es gibt auch ein vereinseigenes Handbuch „Meine Kaninchen“, das über die Website bestellbar ist. www.kaninchenberatung.de
Informationen rund um die Kleintierhaltung und speziell zu Kaninchen bietet auch der Deutsche Tierschutzbund, inklusive kostenloser Broschüren zum Download. www.tierschutzbund.de

Buchtipp | Verlosung
Gabriele Linke-Grün beantwortet in ihrem Buch „300 Fragen zum Zwergkaninchen“ ebendiese übersichtlich und anschaulich. Erschienen im GU Verlag, 256 Seiten, 12,99 Euro. TIERISCH GUT verlost zwei Exemplare des Buches. Schickt uns ein Bild von Euch und eurem Langohr bis 29.04.2022 per E-Mail an info@tierischgut-da.de
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Wissen: Kaninchen oder Hase?

Kaninchen und Hase werden oft verwechselt. Ein „Stallhase“ ist zum Beispiel eigentlich ein Kaninchen. Und Fotos von „Osterhasen“ zeigen ganz oft Kaninchen. Aber was ist denn nun der Unterschied zwischen einem Kaninchen und einem Hasen? Zunächst mal zu den Gemeinsamkeiten: Kaninchen und Hasen gehören zur Familie der Hasen (lat. Leporidae). Diese Familie zählt mehr als 50 Arten, zu denen auch der Feldhase und das Wildkaninchen sowie dessen Zuchtform, das Zwegkaninchen gehören. Abgesehen davon sind Hasen und Kaninchen ziemlich unterschiedlich. Hasen sind etwas größer, haben längere Ohren und im Vergleich zum restlichen Körper längere und kräftige Hinterläufe. Hasen sind im Gegensatz zu Kaninchen Einzelgänger. Sie graben keine unterirdischen Bauten, sondern ruhen in flachen Bodenmulden, in der Jägersprache auch „Sasse“ genannt. Daran erinnert auch das Kinderlied „Häschen in der Grube“. Vor Fressfeinden rennt der Hase davon, während sich das Kaninchen in den Bau zurückzieht. Außerdem sind Hasen Nestflüchter: Ihre Jungen kommen nach einer längeren Tragzeit bereits mit Fell und geöffneten Augen auf die Welt. Schon Minuten nach der Geburt verlassen sie das Nest. Kaninchen dagegen werden nackt und mit geschlossenen Augen geboren. Feldhase und Kaninchen gehören zur Familie der Hasen mit mehr als 50 Arten.