In vielen Häusern versteckt sich gesundheitsgefährdender Schimmel – Thorsten Lenz aus Langenselbold und seine Hunde sind ihm auf der Spur.

Von Mara Pitz

Vorsichtig schiebt Thorsten Lenz ein kleines Röhrchen hinter die Kommode im Esszimmer. Draußen im Flur kratzt schon Beagle Cedric an der Tür. Der junge Hund muss warten, bis sein Herrchen die Probe versteckt hat. Dann öffnet Lenz die Tür zum Flur und Cedric stürmt hinein. Es dauert nur Sekunden, da schabt er schon jaulend an der Holzkommode – genau da, wo das Röhrchen zwischen Wand und Möbelstück steckt.

Wir befinden uns im Haus der Familie Lenz in Langenselbold im Main-Kinzig-Kreis. Was wirkt wie ein Suchspiel, wird für den 15 Monate alten Beagle irgendwann Ernst werden. Denn Cedric ist kein normaler Haushund. Cedric ist angehender Schimmelspürhund. Und Thorsten Lenz ist kein normaler Hundebesitzer. Er hat sich auf die Ausbildung und Führung von Schimmelspürhunden spezialisiert.

Beagle Cedric befindet sich in der Ausbildung zum Schimmelspürhund. Foto: Elke Lenz

Mit seiner Firma SPL UG ist er regelmäßig auf Baustellen und in Gebäuden in ganz Deutschland und im Ausland unterwegs, um unentdeckten Schimmelbefall aufzuspüren. Dort im Einsatz sind seine bereits ausgebildeten Schimmelspürhunde, die beiden Malinois-Rüden Ayk und Andrax. Das Prinzip ist einfach: Der Schimmelspürhund – die Tiere arbeiten einzeln – wird von Lenz durch das Gebäude oder über die Baustelle geführt. Erschnüffelt der Hund die Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, wird er unruhig und kratzt an der entsprechenden Stelle oder versucht sie zu erreichen.

Die Reaktionen des Hundes werden dabei genau beobachtet und in normal, leicht und stark eingeteilt. In einem Grundrissplan wird eingezeichnet, wo das Tier stark reagiert hat. Nachher werden an diesen Stellen Proben genommen. Diese werden dann im Labor auf Schimmel untersucht. Die Trefferquote seiner Hunde liege bei 95 Prozent, erklärt Lenz. Das bedeutet: Schlägt der Hund 100 Mal an, werden bei 95 der später im Labor untersuchten Proben tatsächlich Spuren von Schimmelbefall nachgewiesen.

Die Spürnasen sind damit zuverlässiger als Raumluftuntersuchungen und zudem wesentlich gebäudeschonender als Materialuntersuchungen. Denn dafür müssten Löcher an verschiedenen Stellen gebohrt werden – nur um dann eventuell herauszufinden, dass dort gar kein Befall vorliegt. Schimmelspürhunde können dagegen in kurzer Zeit große Flächen mikrobiologisch untersuchen, ohne dass zuvor Räume großflächig geöffnet werden müssen. Bis zu 1000 Quadratmeter suchen Ayk und Andrax am Tag ab und sind damit wesentlich effizienter als jede andere Methode.

Seit fast 20 Jahren arbeitet Lenz mit dem Schimmelpilzsachverständigen Dr. Gerhard Führer und dessen Institut peridomus mit Sitz im unterfränkischen Himmelstadt zusammen, der mittlerweile keine Hausbegehung ohne Spürhund mehr macht. Aus den gemeinsamen Einsätzen sind bereits wissenschaftliche Studien entstanden, die Schimmelspürhunde sind als Methode vor Gericht anerkannt und seit Jahren in zahlreichen Projekten von Schulen über Wohnhäuser bis hin zu großen Bürokomplexen im Einsatz.

Wenn Lenz und seine Hunde auftauchen, geht es oft um viel Geld: Einmal hat sich auf einer Großbaustelle ein Schaden in Höhe von sieben Millionen Euro aufgetan. Oft geht es aber auch um die Gesundheit: Denn unerkannter Schimmelbefall in Wohnräumen kann eine Vielzahl von Beschwerden auslösen, von der Nebenhöhlenentzündung über chronischen Durchfall bis hin zu Krebserkrankungen. Einmal habe Lenz für einen Asthmatiker ein Haus getestet, von dem es hieß, hier sei noch nie ein Wasserschaden gewesen. Lenz’ Schimmelspürhund schlug dennoch an. Nach mehrmaligem Nachfragen stellte sich heraus: Genau an der Stelle gab es tatsächlich mal einen Wasserschaden, in der Dusche – vor 20 Jahren.

Thorsten Lenz war der erste in Deutschland, der Schimmelpilzspürhunde ausgebildet hat. „Die Methode wurde in den Achtzigern in Schweden entwickelt“, berichtet er. „Dort wurde in den 70er Jahren wegen der Wohnungsnot sehr schnell und viel gebaut, auch viele Holzhäuser. Kurze Zeit später hatte man dort enorme Schimmelprobleme.“ Bald wurden die schwedischen Hunde auch in Deutschland eingesetzt. „Da habe ich mir gedacht, ich kann auch selbst Hunde ausbilden“, sagt der gelernte Maschinenbauschlosser. Sein Knowhow hatte er aus seinem Hobby, dem Hundesport und aus dem ehrenamtlichen Training von Personenspürhunden.

Seinen ersten Schimmelspürhund namens Ben bildete Lenz vor rund 25 Jahren aus. Beim Training ließ er sich von den Methoden der Schweden inspirieren und kombinierte sie mit seinen eigenen Ansätzen. So müssen die verschiedenen Schimmelpilzarten im Labor gezüchtet werden, für das Training hat Lenz Häuser angemietet. Die Hunde werden dann darauf trainiert, die gasförmigen Stoffwechselprodukte der Schimmelpilze zu erkennen, die ein Anzeichen für einen unsichtbaren mikrobiellen Befall sind. Noch heute bewahrt Lenz eine Vielzahl von Schimmelpilzproben in seinem Haus auf, mit denen die Hunde regelmäßig trainiert werden – mehrfach verpackt und in einer Plastikkiste auf dem Dachboden.

Spürhund-Azubi Cedric befindet sich in der ersten Phase der Ausbildung. Das bedeutet, er absolviert drei Mal am Tag rund 20 Minuten lange Trainingseinheiten. Dabei lernt er, die Ausscheidungen verschiedener Schimmelpilzarten zu erschnüffeln und sie anzuzeigen, wie in der eingangs beschriebenen Szene. In der nächsten Trainingsstufe geht es darum, in unbewohnten Häusern vorher platzierte Schimmelproben aufzuspüren.

Im Zusammenleben läuft einiges anders als bei einem normalen Hund. Tabus wie „Du darfst nicht auf die Couch oder an den Schrank“ gibt es für Cedric nicht. „Sonst hätte er später bei den Einsätzen in Wohnungen auch eine Hemmung, da ran zu gehen, und die darf er nicht haben“, erläutert Lenz. Schließlich kann sich überall Schimmel befinden.

Fotos: Elke Lenz

Das Wichtigste bei der Ausbildung eines Schimmelspürhundes ist es aber, vorab den richtigen Hund dafür auszuwählen. Dabei sei die Nase gar nicht das entscheidende Kriterium. „Was die Nase angeht, könnten das wahrscheinlich die meisten Hunde“, meint Trainer Lenz. Nur bei den extrem kurznasigen Rassen wie Mops oder Bulldogge sei er sich nicht so sicher. Stattdessen sind entscheidend: Neugier, Selbstbewusstsein und Robustheit. „Ein Schimmelspürhund muss absolut angstfrei sein, willensstark und darf vor nichts zurückschrecken.“ Schließlich muss er unter extremen Bedingungen arbeiten. Wenn auf einer Baustelle zum Beispiel noch keine Treppen vorhanden sind, wird der Hund an einem Seil befestigt und auf die nächste Etage gezogen. Dabei darf er sich auf keinen Fall durch Angst von seiner Aufgabe ablenken lassen.

Auf der Suche nach all diesen Eigenschaften suchte Lenz lange nach einem geeigneten Welpen, der sein nächster Spürhund werden soll. Cedric überzeugte ihn direkt mit seiner frechen, unerschrockenen Art. „Er war der Extremste in seinem Wurf.“ Deswegen wählte Thorsten Lenz ihn aus. Da war der Beagle fünf Monate alt.

Cedric wäre Lenz’ siebter Schimmelspürhund. Einige weitere Hunde begannen die Ausbildung bei ihm, hatten jedoch nicht das Zeug dazu. Sie seien im Bekanntenkreis in gute Hände vermittelt worden, wo sie ein Leben als Haushund führten. Natürlich nicht ohne Tränen in der Familie. Lenz schaut hinüber ins Wohnzimmer, wo der Spürhunde-Nachwuchs nach seiner Übungseinheit friedlich auf dem Teppich schlummert. Bei Cedric ist Lenz ganz sicher: Er wird es schaffen.