Ein Beitrag von Mia Schwind
In der Dämmerung sind sie unterwegs, die Fledermäuse. Schnell und nahezu lautlos fliegen sie umher. Aus der Nähe sind sie nur schwer zu beobachten. Hin und wieder kommt es aber vor, dass man sie tagsüber entdeckt. Doch das ist alles andere als gut. Warum, das erklärt Minu Samimi. Sie hat eine Pflegestelle für gefundene Fledermäuse und päppelt ehrenamtlich verletzte oder geschwächte Tiere auf. TIERISCH GUT hat sie einen Tag lang begleitet.
Minus Tag fängt früh morgens mit dem Sortieren der Futterwürmer an. Der nächste Schritt ist, ihre Pfleglinge, die sie auch gerne Flausis nennt, zu suchen und nachzuschauen, wie es ihnen geht. „Manchmal muss ich auch über eine Stunde suchen, bis alle gefunden sind“, so Minu. Danach bekommen alle Patienten ihr Frühstück.
Minu erzählt von ihren „Gästen“. Da ist zum Beispiel Schumi – er kann aktuell nicht fliegen, warum genau weiß sie noch nicht. Schumi ist eine Zwergfledermaus und etwa so lang wie ein Zeigefinger. Danach findet sie Schmendrick und Pepper, zwei Breitflügelfledermäuse. Sie passen auf eine Handfläche. Wenn Minu sie in die Hand nimmt, geben sie Meckerlaute von sich. „Fledermäuse sind hochsoziale Tiere, sie kommunizieren viel untereinander.“
Wie kommen die Fledermäuse zu Minu? „Die meisten Tiere sind dehydriert oder haben Verletzungen an ihren Flügeln durch Katzen. Es gab auch schon Fälle, in denen sich eine Fledermaus in einer Klebefalle verfangen hat. Sie werden meist tagsüber auf dem Boden oder an einer Hauswand hängend gefunden“, erzählt sie. Wichtig ist dann schnelles Handeln. Eine Fledermaus tagsüber zu sehen ist ein Alarmsignal. Besonders wenn sie nicht fliegen, stimmt irgendwas mit ihnen nicht, meint Minu.„Viele Leute geraten an spezielle Beratungshotlines, die den Findern raten, die Tiere dort zu lassen, wo sie sind. Das ist falsch. Es ist notwendig, dass sich jemand mit Fachkenntnis die Fledermaus persönlich anschaut. Das Internet hilft enorm. Es gibt einige Pflegestellen, die man anrufen kann. Einfach so lange versuchen, bis man einen Fledermausexperten gefunden hat, der sich dem Tier annehmen kann.“ Noch bevor man eine Aufnahmestelle für die Fledermaus gefunden hat, kann man selbst erste Maßnahmen ergreifen. „Das Wichtigste ist, das fremde Tier nie mit bloßen Händen anzufassen. Die Tiere könnten unter Umständen Tollwut übertragen. Die Annahme, Fledermäuse übertragen das Coronavirus, stimmt aber nicht. In Deutschland gibt es keine Fledermausbestände, die mit den Viren in Kontakt gekommen sind. Eher wir Menschen können das Virus an die Tierchen übertragen“, erklärt Minu. Aber was ist, wenn man gerade im Wald spazieren geht und weder Handschuhe noch ein Karton oder ähnliches dabeihat? „Mein Tipp bei einer spontanen Fledermausrettung: Socke ausziehen, auf links ziehen und damit die Fledermaus greifen. Dann die Socke über die Fledermaus stülpen und gut zuknoten. So berührt man das Tier nicht direkt und hat sie sicher verstaut“, rät sie.
Minu hat zurzeit des Besuchs neun Fledermäuse in ihrer Pflegestelle. Wenn alles weiterhin glatt läuft, können alle Tiere in ein bis zwei Wochen wieder in die freie Wildbahn zurückkehren. Dann ist die Saison für sie vorbei, da die Fledermäuse ab September ihre Quartiere für den Winterschlaf aufsuchen. „In den Sommermonaten werden die meisten Fledermäuse gefunden, vom Baby bis zum erwachsenen Tier. In Spitzenzeiten habe ich auch mal 25 Fledermäuse zu versorgen“, sagt die Fledermauspflegerin, die bereits mit 18 Jahren durch Zufall eine gefundene Fledermaus bekommen und sich um sie gekümmert hat. Seitdem nahm die Leidenschaft für die kleinen Tiere ihren Lauf.
Minu betreibt seit drei Jahren ihre mittlerweile geprüfte Pflegestelle. Als sie mir von dieser Zeit als Fledermauspflegerin erzählt, wird schnell deutlich, wie sehr an ihren zahlreichen Patienten die zunehmende Umweltzerstörung zu bemerken ist: Insektensterben, Wetterextreme und auch die dichte Bauweise neuer Häuser tragen dazu bei, dass die Fledermäuse immer weniger geeignete Lebensräume finden.
Nach dem Versorgen der Pfleglinge wird alles für die nächste Fütterung vorbereitet. Währenddessen berichtet Minu weiter über ihre Arbeit in der Hauptsaison: „Im Sommer wird ein Zimmer zum Fledermaus-Zimmer umgeräumt. Während der Pflege kleiner Babys muss ich alle zwei Stunden aufstehen, um ihnen Milch zu geben. Die Babys kleiner Arten sind anfangs noch so klein wie ein Gummibärchen. Für die Begutachtung und Pflege von ihnen muss ich oft eine Lupe zu Hilfe nehmen, so winzig sind sie. Nachdem alle Fledermäuse meine Pflege verlassen haben, dauert es bis zu drei Tage, um das Zimmer aufzuräumen und zu reinigen.“ Mit Minus Erzählungen wird schnell klar: Es ist eine sehr fordernde Aufgabe, Fledermäuse zu versorgen, physisch und besonders emotional- und das alles ehrenamtlich, aus Leidenschaft für diese interessanten Wildtiere, die zunehmend auf menschliche Hilfe angewiesen sind.
Minu erinnert sich an viele ihrer Pflegegeschichten. Manche sind traurig, weil es das Tier nicht geschafft hat. Viele enden aber mit einer erfolgreichen Auswilderung. Oft werden die Tiere im Darmstädter Herrngarten oder am Großen Woog freigelassen, damit sie direkt eine Stelle zum Trinken finden. Eine besonders dramatische Geschichte mit einem großartigen Happy End schrieb das verletzte Fledermausweibchen Hedwig. Diese kam 2021 mit einem sehr schwer verletzten Flügelchen zur Pflegestelle. Es folgte eine komplizierte und riskante Operation. Zunächst sah alles gut aus, doch drei Tage später verhielt sich Hedwig merkwürdig: Sie erwartete ein Baby! Minu war bei der Geburt dabei und half Hedwig. Ein einzigartiges Erlebnis, wie sie sagt. Das Baby war da. Die nächsten Wochen waren kräftezehrend. Das Fledermausweibchen musste sich von ihrer Operation erholen und gleichzeitig noch ihr Junges versorgen. Doch trotz allen Widrigkeiten überlebten beide. Minu konnte das Junge mit zwei anderen Jungtieren am Ende des Sommers auswildern. Hedwig wurde von einer anderen Pflegestelle übernommen.
Fledermäuse halten Winterschlaf. Zum Zeitpunkt der TIERISCH GUT-Winterausgabe sind sie also versteckt in ihren Quartieren und warten auf den Frühling.
Kann man in der kalten Jahreszeit denn trotzdem etwas tun? Minu hat folgende Tipps: „Bauarbeiten an Dächern im Winter können die dort lebenden Tiere stören. Wenn die Arbeiten nicht vermeidbar sind, kann vorher nach Wintergästen Ausschau gehalten, und eine Pflegestelle kontaktiert werden, die die Fledermäuse in ein geeignetes Quartier bringt.“ Der Winter ist außerdem eine gute Zeit, um zu planen und sich beraten zu lassen: Wie gestalte ich meinen Garten fledermausfreundlich? Soll ich einen Fledermauskasten an der Hauswand anbringen? Zu diesen Fragen ist Recherche und vor allem Beratung sinnvoll. Sobald es wieder warm wird und die Flausis aus ihrem Winterschlaf erwachen, gibt es außer Minu noch viele andere Fledermaus-Kenner, die sich für die Tiere einsetzen, zum Beispiel mit Führungen, Flugvorführungen, Aufklärungsarbeit in Schulen und vielem mehr. Wenn Sie sich nun für diese besondere Tierart interessieren und sie näher kennen lernen wollen, finden sich nähere Informationen und Veranstaltungstermine auf den Seiten des NABUs und des Vereins Fledermausschutz Südhessen e.V.
Fledermaus gefunden – Was tun?
– nur mit Handschuhen oder einem sonstigen Schutz gegen Bisse anfassen
– bei größeren Wunden oder Knochenbrüchen kann nur ein Fledermausspezialist helfen
– in eine Notfallkiste setzen, z. B. Schachtel oder Schuhkarton, ausgelegt mit Küchenpapier oder Tuch
– dem Findling Wasser anbieten (mit Pipette oder Teelöffelspitze seitlich an die Maulspalte; kein Wasser in die Nasenlöcher)
– im Winter die Notfallkiste in einem etwa 5 bis 10° C kühlen Raum aufbewahren; im Sommer bei Raumtemperatur
– mit ausgewachsenen Fledermäusen ohne erkennbare Verletzungen kann am Abend (außer Frostnächte oder Dauerregen) ein Abflugversuch unternommen werden; möglichst hoch setzen an eine rauhe Wand, Holzverschalung oder einem Fensterfliegengitter
– sollte der Findling nicht selbstständig abheben, bitte nicht hochwerfen, ebenfalls an einen Fachkundigen wenden
Ansprechpartner, die in den genannten Kreisgebieten weiterhelfen:
Kreis Offenbach (OF): Ute Wernicke, 06104 42760
Darmstadt, Stadt (DA): Minu Samimi, 01578 2211009
Darmstadt, Westkreis (DA, ehemaliger Kreis Darmstadt): Sybille Waibel, 0175 4068431
Darmstadt, Ostkreis (DA, DI, ehemaliger Kreis Dieburg): Dirk Diehl, 06073 80029
Kreis Bergstraße (HP): Dagmar Göhler, 06252 77554
Kreis Groß-Gerau (GG): Wolf Emmer, 0172 9947948
Bitte beachten: Alle genannten Personen arbeiten ehrenamtlich. Die Ansprechpersonen sind daher nicht immer zu erreichen und können Fundtiere nicht unbedingt abholen.
Lebensräume – schaffen und erhalten
– Fledermäuse mögen es kühl, feucht und frostfrei. Sie leben in alten, Kellern oder leeren Dachböden; in vielen neugebauten Häusern sind Dachböden und Keller meist verschlossen
– Bau eines Spaltenquartiers am Haus (Bauanleitung siehe www.fledermausschutz-suedhessen.de/merkblaetter)
– ungenutzte Dachböden dem Fliedermausschutz Südhessen e.V. oder dem NABU (bspw. der ortsansässigen Gruppe) melden
– Bau eines Fledermausbrettes am Haus (Bauanleitung siehe www.fledermausschutz-suedhessen.de/merkblaetter)
– Aufhängung von Fledermauskästen (weitere Infos unter www.fledermausschutz-suedhessen.de/merkblaetter)
– fledermausfreundliche Gärten anlegen
Ein Garten für Fledermäuse
– Fledermausbeet anlegen: Nachtblühende, nektarreiche Blütenpflanzen, zum Beispiel Leimkraut, Seifenkraut und Wegwarte. Durch ihren intensiven Duft locken die Pflanzen Nachtfalter an, die Lieblingsspeise vieler Fledermausarten.
– Teich anlegen: Das Wasser zieht viele Insekten an und bietet Fledermäusen so einen reich gedeckten Tisch. Je artenreicher der Garten, desto mehr Insekten tummeln sich dort.
– Garten ohne Gift: Auf Insektizide und andere Gifte verzichten.
– Schaffen Sie Unterschlüpfe: Höhlen in alten Bäumen, alte Keller oder Kartoffelmieten werden gern als Winterquartier genutzt, wenn sie kühl, feucht und frostfrei sind. Oder ein Fledermausbrett oder ein Flachkasten an der Giebelwand sowie Höhlenkästen werden von den Tieren gerne angenommen. Viele Kästen lassen sich auch in Bäumen anbringen.
Quelle: NABU e.V.