Die einen bejubeln, die anderen belächeln sie. Die Homöopathie ist umstritten und dennoch längst salonfähig. 55 Prozent der Deutschen haben nach eigenen Angaben schon Erfahrungen mit Homöopathie beziehungsweise der Verwendung homöopathischer Arzneimittel gemacht. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Jahr 2020.

Von May-Britt Winkler

Wenn man bei einem medizinischen Problem nicht weiterweiß, kommt automatisch die Frage: Hast Du es schon mal mit etwas Homöopathischem versucht? Doch was genau ist die Homöopathie?

Wikipedia beschreibt sie als eine pseudowissenschaftliche Behandlungsmethode aus dem Bereich der Alternativmedizin. Ihr Begründer war Samuel Hahnemann, ein deutscher Arzt. Der war ziemlich unzufrieden mit seiner Zunft und den damaligen teils brachialen

Behandlungsmethoden mit Arsen, Blei und dergleichen. Seine Arbeit beruht auf der These, dass Erkrankungen am besten mit Substanzen behandelt werden, die in normaler Dosierung genau die Symptome hervorrufen, die sie bekämpfen sollen. Und das soll deshalb funktionieren, weil die Arzneimittel dazu stark verdünnt werden, durch das sogenannte Potenzieren. Viel wichtiger aber ist, dass der Patient in seiner Gesamtheit betrachtet wird, egal ob Mensch oder Tier.

Und da Haustiere heutzutage Familienmitglieder sind, sollen auch sie so gut wie möglich behandelt werden.

Alexander Jaksche kennt sich mit beidem gut aus: mit Tieren, er ist selbst Hundebesitzer und mit homöopathischen Heilmitteln, denn er ist Apotheker. In der Mathildenapotheke in Darmstadt bietet er neben sämtlichen pharmazeutischen Arzneien für den Menschen auch Medikamente für Tiere an. Neben herkömmlichen Präparaten führt er auch ein breites Homöopathie-Spektrum, von Globuli über Bachblütenmischungen bis hin zu Tabletten, Säften und Tropfen.

Apotheker Alexander Jaksche

„Es gibt natürlich so eine pauschale Homöopathie: Arnika hilft immer gegen Schmerzen und Prellungen, Apis hilft immer gegen Bienenstiche. Da drehen sich allerdings bei den professionellen Homöopathen die Fußnägel nach oben. Bei der klassischen Homöopathie nach Hahnemann, ist vorher eine zwei- bis dreistündige Anamnese von Nöten, denn man behandelt da nicht nur den Schmerz, sondern schaut, woher kommt der Schmerz, wie fühlt der sich an, wann tritt der auf, wann verbessert er sich?“

Wer seinen Körper beziehungsweise den seines Tieres nicht mit Chemie belasten will, entscheidet sich oft für den vermeintlich sanfteren Weg. Weder chemische noch homöopathische Mittel sind für Menschen und Tier gleich und dürfen nicht untereinander verwendet werden, so der Apotheker: „Nur der Tierarzt darf die Medikamente umwidmen. Das trifft auch dann zu, wenn ein Mittel nur für Katzen zugelassen ist, aber beim Hund angewendet werden soll. Arzneimittel sind nämlich nicht nur für die Indikation zugelassen, sondern auch für die Spezies.“

»Arzneimittel sind nicht nur für die Indikation zugelassen, sondern auch für die Spezies.« Alexander Jaksche

Was der einen Tierart hilft, kann für die andere gefährlich werden. Der Stoffwechsel einer Dogge ist eben nicht vergleichbar mit dem einer Siamkatze oder eines Schwarzbunten Niederungsrindes. Besonders zu beachten bei Katzen: Ihnen fehlt ein Enzym, das Arzneimittel aus dem Körper wieder ausscheidet. Ibuprofen, sagt Jaksche, dürfe man also niemals einer Katze geben, denn sie würde daran sterben.

„Aber es gibt auch ein schönes Beispiel, bei dem ursprünglich etwas für ein Tier entwickelt, dann aber auch für den Menschen übernommen wurde: die Pferdesalbe. Die Besitzer stellten nämlich fest, dass es auch ihnen ziemlich gut half. Inzwischen wird Pferdesalbe regulär für Menschen verkauft, allerdings kommen tatsächlich ab und an Kunden und fragen: Wieviel Pferd ist denn da drin?“ Aber keine Sorge, in der Salbe steckt kein Pferd, diese heißt so, weil sie für Pferde entwickelt wurde und auch dem Menschen gegen Gelenk- und Muskelschmerzen hilft.

Reptilien vertragen keinen Alkohol

Inzwischen gibt es in Jaksches Apotheke diverse Regalfächer gefüllt mit Mitteln aus der Tierhomöopathie. Vor allem Hunde- und Katzenbesitzer sind gute Kunden. Kaninchen- und Sitticheigentümer kommen dagegen eher selten. Dabei gibt es sogar homöopathische Mittel für Reptilien. Zwar stellt sich dem Laien die Frage: Wie bringt man ein paar Globuli in den Rachen eines Netzpython, aber viel wichtiger als das Wie ist das Was. Echsen, Schlangen und trockene Alkoholiker haben nämlich dasselbe Problem. Sie vertragen keinen Alkohol. Die Leber von Reptilien kann bei alkoholhaltigen Medikamenten stark geschädigt werden, und deshalb darf diese Tierspezies nur alkoholfreie Mittel bekommen.

Bei Pferden hingegen schadet auch mal ein kleiner Schwips nicht und die Homöopathie ist bei ihren Besitzern sehr beliebt. Auch hier gibt es Globuli, die entweder von Hand gegeben werden können, oder man mischt sie mit einer kleinen Menge Wasser und spritzt die Mischung ins Maul.

Skeptiker fragen sich, wie ein paar kleine Kügelchen bei einem 600-Kilo-Ross wirken sollen, doch die Antwort ist vermutlich subjektiv, wie so oft in der Homöopathie. Kritiker bemängeln fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse und behaupten, die Wirkung von Homöopathie sei eine Glaubensfrage. Da der Mops jedoch nicht weiß, dass die süßen Kügelchen rein pflanzlich und hoch potenziert waren, kann er weder an eine Wirkung glauben noch auf Linderung seiner Leiden hoffen. Vermutlich ist es ihm auch egal. Hauptsache, die Kügelchen sind lecker. Aber der Besitzer kann sein Tier beobachten und Erfolge sehen. Manche erzählen wahre Wundergeschichten von Heilung, der Kritiker aber sieht nichts.

„Es gibt ja die sogenannten Hochpotenzen. Da sind die Stoffe so hoch verdünnt worden, dass da tatsächlich gar kein Wirkstoff mehr drin ist, aber dennoch wird die Information übertragen“, erklärt Jaksche. „Was dennoch sicherlich hilft, ist, wenn man der Homöopathie zugetan ist. Ich habe im Bekanntenkreis jemanden, der findet Homöopathie ganz furchtbar. Bei dem hilft auch nichts. Die Psyche ist eben nicht ganz unwesentlich dabei.“

Studien zum Placebo-Effekt, vor allem in der Schmerztherapie, belegen, dass durch Scheinpräparate die gleichen Botenstoffe aktiviert werden wie durch echte Schmerzmedikamente. Die Placebo Wirkung ist also keine Einbildung und sie wirkt auch in anderen medizinischen Fachbereichen.

Einen Versuch sollte es also auch dem Skeptiker wert sein, am besten mit Hilfe des Apothekers oder des Tierarztes. Zudem gibt es austherapierte Tiere, denen der Veterinär kaum noch helfen kann. Spätestens dann versucht ein Besitzer alles, seinem Liebling das Leben noch so schon wie möglich zu machen. Wichtig ist jedoch auch für Verfechter der Homöopathie, den Zeitpunkt für den Gang zum Tierarzt nicht zu verpassen. Ein Tumor lässt sich nun einmal nicht mit Homöopathie heilen und bei Darmverschluss hilft kein pflanzenbasiertes Präparat. „Sobald eine Infektion im Spiel ist, muss man schauen, ob ein Antibiotikum gegeben werden muss. Und immer, wenn Fieber im Spiel ist, schicke ich die Leute sofort zum Tierarzt. Ansonsten sind alle drastischen Veränderungen ein Fall für den Tierarzt: Wenn die Katze den Spieltrieb einstellt, oder wenn das Tier nichts frisst, obwohl es vorher immer guten Appetit hatte“, erklärt Jaksche.

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Humpelt der Liebling regelmäßig aufgrund seiner immer wieder auftretenden Arthrose, dann kann man beruhigt erst einmal mit pflanzlichen Mitteln arbeiten. Bis diese Beschwerden besser werden, können ein paar Wochen vergehen. „Wenn Beschwerden wie Durchfall allerdings nach ein bis zwei Tagen nicht besser sind, dann raten wir dazu, zum Tierarzt zu gehen.“

Nach einem Hundebiss keinen Doc aufzusuchen und stattdessen Arnika einzuwerfen, ist sicherlich ebenso unverantwortlich wie bei einer Bagatelle gleich die Chemiekeule zu schwingen. „Natürlich“ heißt nicht automatisch gut. Ein Fliegenpilz ist schließlich auch Natur. Aber in Sachen Gesundheit wäre der Mittelweg vermutlich oft ein guter. Und ein Blick über den Tellerrand lohnt sich. Aber egal, ob man der Homöopathie nun zugetan ist oder sie ablehnt: Die Spezialisierung auf nur ein Leiden oder nur ein Körperteil ist kontraproduktiv, denn, so Jaksche: „Alles im Körper hängt miteinander zusammen. Von der Homöopathie kann man lernen, mehr nach den Ursachen zu forschen, Zusammenhänge herzustellen und den Körper als Ganzes zu sehen.“

Bei welchen tierischen Gesundheitsproblemen können homöopathische Mittel eingesetzt werden?

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Homöopathische Arzneimittel kommen nicht nur bei körperlichen Beschwerden oder Krankheiten von Tieren zum Einsatz, sondern auch bei Stress, innerer Unruhe und Nervosität. Typische Anwendungsgebiete sind Durchfall, Übelkeit, Nierenerkrankungen, Entzündungen sowie Angst und Unruhe. Aber auch altersbedingte Gesundheitsprobleme wie Arthrose lassen sich durch das schonende Heilverfahren behandeln.

Bei kleineren Wunden oder leichten Beschwerden kann man das Tier gut selbst behandeln. Wer sich unsicher sind, wendet sich an einen Tierhomöopathen (Tierheilpraktiker mit Spezialisierung auf Tierhomöopathie). Sollten die Symptome anhalten oder schlimmer werden (Fieber, Apathie, Erbrechen etc.), sollte der Tierarzt um Rat gefragt werden. Homöopathie kann hierbei auch begleitend angewendet werden.

Hausapotheke für Tiere

Das sollte in einer tierischen Hausapotheke nicht fehlen:
– Einmalhandschuhe, damit Sie sich z.B. bei offenen Wunden schützen können
– Kochsalzlösung zur Reinigung von Wunden
– Wunddesinfektionslösung, um Infektionen mit Bakterien und Viren zu vermeiden
– Pinzette, um Fremdkörper zu entfernen
– Taschenlampe, um kleinste Verletzungen zu erkennen
– Verbandsmaterial wie z.B. elastische Binden, Wundauflagen, Schere, um offene Wunden zu schützen
– Arnica C200 Globuli bei kleineren Alltagsverletzungen, Zerrungen oder Verstauchungen
– Zeel ad. us. vet Tabletten, um Arthrose- oder Gelenkbeschwerden zu lindern
– Engystolad ad. us. vet. Tabletten oder Tropfen bei Virusinfektionen, z.B. Erkältungen und gegen Stress
– Nux Vomica-Homaccord ad. us. vet. hilft schnell bei Magen-Darmbeschwerden.
Alle genannten homöopathischen Mittel gibt es in der Apotheke.
Quelle: praxisvita.de