Happy End für Lola – vom Problemhund zur Trainingsbegleiterin

Drei Jahre lang saß Mischlingshündin Lola im Tierheim. Selbst erfahrene Tierpfleger kamen nicht an sie ran, war nur mit Maulkorb händelbar. Heute führt sie bei Fee Henrici in Darmstadt ein glückliches Leben. Lola fetzt mit ihrem Hundekumpel Muri über den Waldweg. Die braun-gestromte Hündin bleibt kurz stehen, reckt die Nase in die Luft und schnüffelt. Noch bevor Lola ins Unterholz losrennen kann, ruft ihre Besitzerin sie zurück – und Lola trabt freudig auf sie zu.

Lola im Tierheim

Das soll ein Problemhund sein, gefährlich für Menschen und andere Hunde? Der Jogger jagt und verletzen würde? Der nur mit Maulkorb aus dem Zwinger darf? All das ist schwer vorstellbar, wenn man Lola heute sieht. Auf einem gemeinsamen Spaziergang am Böllenfalltor erzählt Hundetrainerin Fee Henrici die Geschichte ihrer heute sieben Jahre alten Hündin.

Lola stammt aus Frankreich. 2015 kam sie bei einem Vermehrer in Frankreich zur Welt. Wegen schlechter Haltung wurde sie ihrem Besitzer von den Behörden mehrmals abgenommen. Doch der wollte das nicht akzeptieren. Er machte ausfindig, wo Lola sich befand, und klaute sie immer wieder zurück. Dafür reiste er auch quer durchs Land, sodass die Tierschützer irgendwann auf die Idee kamen, die Hündin ins Ausland zu schaffen.

So kam Lola zu Tiere in Not Odenwald (Tino) in Reichelsheim. Bei Tino ist man an schwierige Hunde gewöhnt: Der Tierschutzverein erhielt für sein bundesweites Engagement für Problemhunde 2013 den hessischen Tierschutzpreis. Doch Lola war selbst für die erfahrenen Tino-Tierschützer eine harte Nuss. „Sie zeigt einen übertriebenen Jagdtrieb und nimmt jeden Außenreiz für sich, um dann richtig aufzudrehen, das können auch irgendwelche kleinen, sich bewegende Punkte am Horizont sein“, so steht es auf der Vermittlungsseite im Internet. Und: „Für die Mischlingshündin suchen wir ganz erfahrene Hundehalter.“ Ein erster Vermittlungsversuch 2018 missglückte.

„Sie kam nach einem halben Jahr zurück und die Probleme hatten sich verschlimmert,“ sagt Fee Henrici. Lola war nervös, kam gar nicht mehr zur Ruhe und reagierte auf alles, was sich bewegte. Nur ein Tierpfleger war so mit ihr vertraut, dass er sie ohne Maulkorb händeln konnte. Als Fee Henrici die Hündin das erste Mal besuchte, dachte sie nicht, „dass das klappen kann“.

Doch Henrici blieb dran, denn sie hatte sich in den Problemhund verliebt. Sie besuchte Lola regelmäßig im Tierheim und nahm mit ihr an einer Trainingsgruppe für schwierige Hunde teil. Im April 2020 schließlich nahm sie Lola dann ganz zu sich. Seitdem begleitet die Hündin sie täglich in ihrem Job als Hundetrainerin – und hat Spaß dabei, viel unterwegs und in Action zu sein.

„Ein Hund für eine Runde im Park und dann auf die Couch ist Lola nicht“, sagt Henrici. Dank klarer Erziehungsregeln und genügend Auslastung spielt der Maulkorb im Alltag heute keine Rolle mehr. Selten greift Henrici zu dem Hilfsmittel, um in bestimmten Situationen auf Nummer sicher zu gehen. „Wenn es sehr trubelig ist zum Beispiel oder Kinder herumspringen.“ Denn unterschätzen dürfe man Lola nicht. „Sie wäre, wenn man sie lassen würde, auch heute noch für eine Kneipenschlägerei zu haben,“ sagt Henrici augenzwinkernd. Statt Ärger gibt es heute aber vor allem eins in Lolas Leben: entspannte Spaziergänge im Wald.

Was Fee Henrici mit ihren beiden Hunden Lola und Muri in ihrem Campervan erlebt, zeigt sie auf ihrer Instagram-Seite #two_dogs_and_a_van.

Lola und Muri unterwegs mit Frauchen Fee Henrici

Gärten für Mensch und Tier

Kai Brauns bietet Landschaftspflege mit dem besonderen Blick: Der gelernte Gärtner und Tierpfleger weiß, wie sich Schildkröte, Echse und Co im Freien wohlfühlen. Freilandterrarien für Schildkröte und Co sind seine Spezialität.

Von Mara Pitz

Kai Brauns mit Hündin Monster / Foto: Mara Pitz

Jemand, der sich auf das Thema tiergerechter Garten spezialisiert hat, ist Kai Brauns. Der gelernte Gärtner und Tierpfleger, der 15 Jahre lang in verschiedenen Tierheimen gearbeitet hat, hat sich Ende 2020 als Landschaftsgärtner selbstständig gemacht. Unter dem Motto „Gärten für Mensch und Tier“ bietet der 44 Jahre alte Weiterstädter neben klassischer Gartenpflege wie Hecken- und Baumschnitt und der Wiederherstellung verwilderter Gärten auch Beratung rund um tierfreundliche Gartengestaltung. Seine Spezialität sind die Planung und der Bau von Volieren und Freilandterrarien, in denen etwa Schildkröten oder Echsen gehalten werden. „Im Freien hat man einfach viel mehr Platz als drinnen,“ erläutert Brauns die Vorteile. „Und man kann die Gehege natürlicher und größer gestalten.“

Bei Freilandterrarien gehe es vor allem darum, auf wenigen Quadratmetern verschiedene kleine Klimazonen zu schaffen, sagt er. So bietet eine Wasserstelle im Terrarium Lebensraum für Molche und Unken. Steinhaufen und Trockenmauern schaffen dagegen wärmere Bereiche und sind deshalb gut geeignet für Schildkröten und Eidechsen. „Mauereidechsen zum Beispiel brauchen Steine, auf denen sie sitzen und sich in der Sonne aufwärmen können.“ Die richtigen Pflanzen ziehen Insekten an, die wiederum Nahrung für viele andere tierische Gartenbewohner sind.

Schildkröten fressen gerne Pflanzen, die als Unkraut verschmäht werden, wie Löwenzahn, Wegerich und Wildkräuter, erläutert der Gärtner. Einige Gewächse erfüllten daneben noch andere Funktionen für die Tiere: Rosmarin zum Beispiel sei gut für den Panzer. „Wenn die Schildkröte durch die Pflanzen durchkrabbelt, wird der durch die Öle darin gepflegt.“ Das sei viel besser als den Schildkrötenpanzer von Hand mit Öl einzureiben, sagt Brauns. „Denn das Öl verhindert die Atmung, die über den Panzer stattfindet.“

Dabei machten viele Schildkrötenhalter schlicht aus Unwissenheit Fehler in der Haltung. Das liegt auch daran, dass die Tiere leicht 80 bis 100 Jahre alt werden können und deswegen ihre Ersthalter überleben. „Viele Schildkrötenbesitzer haben sich das Tier gar nicht selbst angeschafft, sondern geerbt, und kennen sich deswegen nicht richtig aus.“

Tigersalamander im schattigen Gehege / Foto: Kai Brauns

Bei Fragen zur Haltung berät Brauns Tierbesitzer. Nicht immer ist viel Aufwand nötig, um etwa ein bestehendes Terrarium zu optimieren. „Oft kann man mit wenigen Materialien, die die Kunden schon im Garten haben, sehr viel bewirken“, sagt Brauns.

Zu seinen Kunden zählen vor allem ältere Menschen in Darmstadt und Umgebung, die sich nicht mehr selbst um Beschnitt und Rasen kümmern können. Aus kleineren Routine-Arbeiten wird dann aber auch mal mehr – so wie bei dem Senior, der Brauns beauftragte, „mal was Anderes“ aus dem langweiligen Vorgarten zu machen: Eine Spirale aus weißen Kieseln wird jetzt gesäumt von Tulpen, um die eine Bienenweide angelegt wurde. „Spätestens im Sommer wird der Garten voller Bienen, Hummeln und Schmetterlingen sein.“

Pragmatisch und platzsparend ist die Holzkonstruktion, die Brauns für einen Balkon gebaut hat: Sie ist Sitzbank, Hochbeet und Kratzbaum mit Schlafnische für die Katze des Hauses in einem.

Brauns Leidenschaft gilt den Molchen und Echsen. Neben seinen beiden Hunden hält er „sehr viele davon“ bei sich zuhause in Gräfenhausen und hat rund 20 Jahre Erfahrung mit Terrarien. In seinem Keller hält er einige der unter Artenschutz stehenden Amphibien. Diese stammen allesamt aus Zuchten. Die Exemplare in seinen Freiland-Terrarien sind dagegen einfach so in den Teichen in seinem Garten eingezogen, berichtet er. Denn Molche werden von Wasserstellen angezogen und suchen sich ihren Lebensraum im Garten selbst. „Aber sie brauchen die Feuchtigkeit und können ohne nicht so weite Strecken von Garten zu Garten zurücklegen.“ Wenn in jedem Garten eine kleine Wasserstelle wäre, hätten es viele Wildtiere einfacher, fasst Brauns zusammen.

Foto: Mara Pitz

Gärten zum Wohlfühlen

Sommerzeit ist Gartenzeit – doch wie kann man das heimische Grün so gestalten, dass sich Mensch und Tier dort wohlfühlen? Antworten gibt es auf den folgenden Seiten.

Mit ein paar Tricks lässt sich vor der Haustür ein Idyll für Schmetterlinge, Bienen und Vögel schaffen. Das ist leichter als gedacht, schön anzusehen – und leistet einen Beitrag zum Artenschutz.

Ein akkurat gepflegter Garten mit englischem Rasen – und mittendrin ein imposantes Vogelhaus. Wenn sich hier kein Piepmatz blicken lässt, ist das kein Wunder. Denn zu einem vogelfreundlichen Garten braucht es mehr, erklärt Gärtner und Tierpfleger Kai Brauns. Die Tiere brauchen Nahrung in Form von Insekten, vor allem aber Rückzugsmöglichkeiten und Verstecke in Sträuchern und Büschen. „Sonst schaut der Vogel nach oben, sieht den Turmfalken und hat Angst, selbst zum Vogelfutter zu werden“, erklärt der Weiterstädter, der sich auf tiernahe Gartengestaltung spezialisiert hat (Link zum Beitrag  http://tierischgut-da.de/blog/2022/gaerten-fuer-mensch-und-tier/ ‎). Doch wie kann man einen Garten möglichst naturnah gestalten?

Ein naturnaher Garten fängt damit an, dass man Insekten einen Lebensraum bietet. Und das geht am besten, in dem man Natur zulässt. Fürs erste genügt schon eine wilde Ecke, die man nicht mäht und nicht betritt. Hier können Brennnesseln, Gräser und Klee sich ausbreiten, die lebenswichtig für viele Insektenarten sind. Darauf weist der Naturschutzbund (Nabu) hin. Wer Baumschnitt, Laub und Co nicht entsorgt, sondern an einem regengeschützten Fleck, etwa zwischen Sträuchern oder an der Hauswand sammelt, lädt Igel ein. Im Frühjahr erwachen die stacheligen Tierchen aus ihrem Winterschlaf, ab Juni ziehen sie ihre Jungen auf.

Bei der Pflanzenauswahl sollte man auf heimische Pflanzen zurückgreifen: Haselnuss, Weißdorn, Schlehe, Faulbaum, Buche, Wildapfel und Schneeball ziehen Schmetterlinge, Käfer und andere Insekten an, empfiehlt der Naturschutzbund (Nabu). Nicht nur Nektar und Pollen, sondern auch die Stängel und Blätter sind wichtig für Insekten. Denn daraus werden Nester gebaut oder sie werden von Raupen gefressen. Besonders vogelfreundliche Pflanzen sind laut Nabu heimische Gehölze wie Eberesche, Weißdorn, Kornelkirsche und Felsenbirne.

Ein Wildblumenbeet sorgt darüber hinaus für farbenfrohe Hingucker im Garten und ist noch dazu pflegeleicht. Denn heimische Stauden sind winterhart, wenig anfällig für Pilze und müssen nur ein Mal im Jahr zurückgeschnitten werden. Im Frühjahr, wenn der Garten zu neuem Leben erwacht, schlüpfen die Insekten, die in den Halmen der Wildblumen überwintert haben. Die Auswahl an heimischen Stauden ist riesig. Der Nabu empfiehlt unter anderem Wiesensalbei, Moschusmalve, Glockenblume und Akelei. Wichtig ist dabei, die Blühfolge der ausgewählten Pflanzen zu beachten, damit Insekten möglichst immer Nahrung finden. Die Fetthenne zum Beispiel blüht recht spät im Jahr und ist somit eine wichtige Nahrungsquelle für Schmetterlinge, die dann ihre Flugzeit haben.

Mit Insektenhotels lassen sich zusätzliche Lebensräume und Überwinterungshilfen schaffen. Es gibt sie mittlerweile im Handel fertig und als Bausatz zu kaufen. Sie lassen sich aber auch mit ein wenig Geschick selbst bauen.

Zu einem naturnahen Garten gehören laut Umweltschützern vom Nabu auch unbedingt Frühblüher wie Narzissen, Schneeglöckchen oder Krokusse. Sie sind nicht nur schön anzusehen, sondern auch lebensnotwendig für früh fliegende Insekten. Doch Hundebesitzer sollten hier aufpassen: Denn viele Blumenzwiebeln sind giftig für die Vierbeiner. Vor allem im Frühjahr und im Herbst häufen sich die Vergiftungsfälle, berichtet der Tierschutzverein „Aktion Tier“. Denn in beiden Jahreszeiten werden üblicherweise die Sommer- beziehungsweise Frühlingsblüher unter den Zwiebelpflanzen eingesetzt. Die beim Gärtnern herumliegenden Zwiebeln lockten etwa spielende Hunde an - meist unbemerkt von den Besitzern. Sie würden bei den ersten Vergiftungsanzeichen dann auch nicht direkt an die Blumenzwiebeln denken. Wenn Tiere die Zwiebeln gefressen haben, sollten ihre Besitzer mit ihnen schnellstmöglich einen Tierarzt aufsuchen, warnt die Aktion Tier. Für Katzen sind dagegen unter anderem Oleander und Christrose gefährlich, warnt Sabine Ruthenfranz, die ein Buch über „Katzenpflanzen“ geschrieben hat.

Wasser im Garten lockt weitere Wildtiere an und dient als Tränken für Insekten und Vögel. Ein Gartenteich sollte so gestaltet sein, dass Molche, Frösche und Igel bequem an das Wasser herankommen. Der Uferbereich sollte nicht zu steil sein, um die Tiere vor dem Ertrinken zu schützen, heißt es in „Mein schöner Garten“. Zusätzliche Ausstieghilfen wie Bretter oder Äste am Rand helfen Igeln und Co. Steine und Steinhaufen am Rand werden von Insekten und Eidechsen gerne als Ruheorte angenommen. Am richtigen Ort und mit der passenden Bepflanzung kann ein Gartenteich völlig ohne Technik auskommen, so der Naturschutzbund. Ein tierfreundlicher Gartenteich sollte demnach außerdem mindestens 80 Zentimeter tief sein, damit Tiere am Grund überwintern können – und darf in der kalten Jahreszeit nicht komplett zufrieren.

Ohne Teich tut es auch eine Tränke: Perfekt für Vögel ist eine halbschattig platzierte Tränke, die zwei bis zehn Zentimeter hoch mit Wasser befüllt wird, so der Nabu. Sie sollte regelmäßig befüllt und nur mit Wasser gereinigt werden. Für Insekten kann man kleinere Gefäße mit Wasser im Garten aufstellen – Steine darin dienen als Landeplatz und Rettungsinseln.

Wichtig nicht nur für Katzenbesitzer: Die Wasserstelle sollte so platziert werden, dass keine Katze sie erreichen kann. Denn freilaufende Samtpfoten machen nicht an der eigenen Gartenpforte Halt und sind eine ernstzunehmende Gefahr für Wildvögel. Übrigens kann es sich auch lohnen, ein Katzenhaus für Samtpfoten im Garten aufzustellen - entweder als Rückzugsort für den eigenen Freigänger oder als Unterschlupf für freilebende Katzen in der Nähe. Darauf weist der Deutsche Tierschutzbund hin. Um eine Katzenschutzkiste selbst zu bauen, braucht man eine große Styroporkiste, Folie aus dem Baumarkt, etwas Stroh und eine Decke. Eine ausführliche Bauanleitung mit Video gibt es auf findefix.com.

Trotz der Kritik am Anfang des Texts: Auch Vogelhäuser und Nisthilfen sind sinnvoll - wenn der Rest des Gartens passt.

Hörtipp

In dem Podcast „Grünstadtmenschen“ des Magazins „Mein schöner Garten“ geben die Expertinnen Karina Dinser-Nennstiel und Antje Sommerkamp passend zur Jahreszeit Garten-Tipps. Folge 44 dreht sich um das Thema Haustiergarten.

Dont's im Garten

Diese drei Dinge sollten im tierfreundlichen Garten tabu sein.
1. Gift spritzen: Gift ist im wahrsten Sinne des Wortes Gift für die Artenvielfalt und zudem gefährlich für Mensch und Vierbeiner.
2. Nur sterile Pflanzen wählen: Exotische Pflanzen wie die Forsythie oder Bambus bieten heimischen Insekten keine Nahrung.
3. Alles aufräumen: ein englischer Rasen ist eine Wüste für Wildtiere.

 


Neues aus dem Zoo Vivarium: Küstenatmosphäre

Eine Dünenlandschaft zum Verweilen und Erleben

Seit Ende April 2022 können Besucherinnen und Besucher eine neue Attraktion vor der Watvogelhalle im Darmstädter Zoo Vivarium bewundern: Eine Dünenlandschaft, wie sie an der Nord- und Ostsee vorkommt.

Nach einer Landschaftsplanung durch das Überlinger Unternehmen Ramboll wurden für dieses Projekt zahlreiche Kubikmeter Erde und Sand bewegt, Wege neu angelegt, Beete geschaffen, Sitzmöglichkeiten errichtet und ein Holzsteg erbaut.

Möglich war die Neugestaltung des in die Jahre gekommenen Picknickplatzes laut Stadtkämmerer André Schellenberg durch die finanzielle Unterstützung der Kaupiana und der Merck KGaA.

„Die Umgestaltung des alten, in die Jahre gekommenen Picknickplatzes hat es uns auch ermöglicht, thematisch auf die Tierarten in der Watvogelhalle einzugehen“, erklärt Stadtkämmerer Schellenberg.

Um die natürliche Bepflanzung der Dünen von Nord- und Ostsee zu symbolisieren, wurden eine Vielzahl von Gräsern, Stauden und Büschen gesetzt. Die neu angelegte Landschaft gibt Besucherinnen und Besuchern einen Ort, an dem Naturschutz für Kinder und Familien erlebbar wird.
Drei pädagogische Spielgeräte aus nachhaltigen Materialen bieten Kindern zudem die Möglichkeit zum Klettern, Toben und Balancieren und fügen sich optisch bestens in die Dünenlandschaft ein.

Ein weiteres Highlight bildet ein Segelboot, das von Auszubildenden des zweiten Lehrjahres der Werkstatt des EAD so umgebaut und restauriert wurde, sodass darauf gespielt werden kann. Zusammen mit drei gemütlichen Strandkörben unterstreicht es den maritimen Charakter der Dünenlandschaft.

Mit der Gestaltung der Fassade der Vogelhalle wurde der Darmstädter Grafiker Jörn Heilmann beauftragt. Dabei hat er eine beeindruckende optische Tiefe generieren können, die den Besucherinnen und Besuchern das Gefühl vermittelt, sich direkt an der Küste zu befinden und den Watvögeln beim Fliegen zuzusehen.


Auf das Huhn gekommen

Hühner sind abenteuerlustig, geschickt – und liegen im Trend. Immer mehr Menschen träumen vom Ei aus dem eigenen Garten – es gibt verschiedene Wege, ihn sich zu erfüllen.

Von Mara Pitz

Hühner sind viel mehr als Eierproduzenten. Sie sind abenteuerlustig, geschickt - und sie boomen. Michael Lüft aus Seligenstadt (Kreis Offenbach) hat daraus ein Geschäft gemacht. Seit 2013 betreibt Lüft seine Firma „Rent a Huhn“. Er verleiht Hühner, immer fünf Stück, inklusive Stall und mobilem Zaun, und das bundesweit. Knapp 100 Euro kostet das pro Woche. Dafür bekommt man – im Schnitt – drei Eier pro Tag, die man aus dem angebauten Nistkasten lesen kann.

Wer sich von Lüft Hühner mieten will, muss mindestens 20 Quadratmeter Freilauf auf unbefestigtem Boden bieten. Weil Hühner Herdentiere sind, werden sie mindestens zu fünft vermietet. Etwa die Hälfte von Lüfts Kunden sind Institutionen: Kindergärten, Altenheime, Behinderteneinrichtungen. Die andere Hälfte der „Rent a Huhn“-Kunden sind Privatleute. Meistens Familien, die sich nach ein bisschen Landleben im eigenen Garten sehnen. Oder Großeltern, die den Enkeln in den Sommerferien eine Freude machen wollen. Manche davon überlegen, sich dauerhaft Hühner anzuschaffen und sehen die Miethühner als Testlauf.

Auf seine Geschäftsidee kam Lüft, der mit Hühnern großgeworden ist, mehr durch Zufall. Ein Junge aus der Nachbarschaft hatte sich gewünscht, mal für eine Woche Hühner auszuleihen. Das war 2012. Als der gelernte Schornsteinfeger ein Jahr später „Rent a Huhn“ mit gerade mal 25 Hennen gründete, war das nach eigener Aussage der erste Betrieb dieser Art in Deutschland. Mittlerweile gibt es zahlreiche Nachahmer in ganz Deutschland. Nicht nur ihr Angebot ähnelt dem von Lüft, auch die Namen klingen ähnlich: „Huhn to go“, „Chicken to go“ oder schlicht „Miete ein Huhn“.

Foto: Michael Lüft

Hühner in der Stadt – für Trendforscher ist das Teil der Entwicklung, sich bewusster mit der Herkunft unserer Nahrung zu beschäftigen. Die Menschen reagieren damit auf die hoch technisierte Lebensmittelproduktion und auf die vielen Skandale der Massentierhaltung. Und immer mehr Menschen beschäftigen sich damit, wie ihre Lebensmittel produziert werden und unter welchen Bedingungen Nutztiere leben. Das zeigt sich auch an der steigenden Zahl von Vegetariern: Der Anteil der Deutschen, die auf Fleisch verzichten, hat sich im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Heute lebt laut Meinungsforschungsinstitut Forsa jeder zehnte Deutsche vegetarisch.

Dass Hühner unterschätzt werden, ist mittlerweile übrigens wissenschaftlich belegt. Biologen der Macquarie University im australischen Sydney fanden heraus, dass Hühner in der Lage sind, vorausschauend zu handeln. Eine Henne im Labor entriegelte das Schloss ihres Käfigs. Mehrmals änderten die Wissenschaftler den Schließmechanismus, jedes Mal entkam sie. Ihr Antrieb: Sie wollte in die Nähe eines Bildschirms kommen, auf dem ein Film mit einem besonders prächtigen Hahn lief.

Experimente mit Plastikeiern zeigten, dass schon frisch geschlüpfte Küken zwischen großen und kleinen Mengen unterscheiden können. Außerdem sind Hühner im Stande, sich die Flugbahn eines Balls für drei Minuten zu merken. So lange schaffen das auch Primaten und Kleinkinder.

Außerdem entlarvten Forscher das taktische Geschick des Federviehs. Ein Alpha-Hahn etwa gackert, um die Hennen seiner Herde vor natürlichen Feinden wie Habichten zu warnen. Ist ein zweiter Hahn in der Nähe, geht er in Deckung, um anschließend besonders lautstark Alarm zu schlagen. Offenbar spekuliert der Alpha-Hahn darauf, dass der Greifvogel den Rivalen bemerkt und ihn ausschaltet.

Hähne vermietet Michael Lüft übrigens nicht – sie krähen einfach zu laut für deutsche Wohnsiedlungen. Lüfts rund 300 Miethennen haben von April bis Oktober Konjunktur, den Winter verbringen alle Tiere als Legehennen auf dem Hof. Sein Vermietservice ist so gefragt, dass er längst nicht mehr alle E-Mails beantworten kann. „Die Anfrage reißt nicht ab“, berichtet er. Anfangs bot er noch einen Lieferservice an und fuhr die Tiere durch ganz Deutschland, aber das schafft er schon lange nicht mehr. Mittlerweile holen die meisten Kunden die Tiere bei ihm in Seligenstadt ab. Im ersten Corona-Lockdown habe es viele Absagen von Schulen und Kindergärten gegeben. Die ausgefallenen Aufträge wurden dann aber schnell von Privatkunden aufgefangen. „Die Kindern waren ja zuhause, da waren die Hühner im Garten eine gute Beschäftigung.“ Das Interesse ist so groß, dass Lüft noch mal zehn weitere Hühnerhäuschen baute. Insgesamt 66 sind jetzt im Angebot. Wie viele seiner Privatkunden sich danach dauerhaft für Hühner im eigenen Garten entscheiden, kann Lüft schlecht einschätzen.

Wer dies tut, kann dabei gleich noch etwas Gutes tun und Legehennen zu einem zweiten Leben verhelfen. Hierfür setzt sich der „Rettet das Huhn e. V.“ ein. Der als gemeinnützig anerkannte Verein übernimmt seit 2015 Legehennen aus Massentierhaltung, die sonst geschlachtet würden, und vermittelt sie an Privatpersonen. Nach eigenen Angaben rettet der Verein so jedes Jahr bundesweit rund 12.000 Hennen vor dem Schlachthof.

Fakten zum Federvieh

15 Jahre beträgt die maximale Lebenserwartung eines Huhns.
1,5 Jahre alt werden die meisten Legehennen, wenn sie geschlachtet werden.
8 bis 30 Eier im Jahr legte die Wildform des heutigen Huhns.
108 Zwerghuhnrassen sind in Deutschland registriert.
111 Großhühnerrassen waren 2016 in Deutschland registriert.
6.000 Legehennen dürfen in konventioneller Haltung in einem Stall leben.
2 Meter hoch können Hühner fliegen.
9 Hennen kommen in Bodenhaltung auf einen Quadratmeter Stallfläche.
100 Tiere oder weniger zählen Herden, indenen sich Hühner wohl fühlen.
3000 Jahre vor Christus hielten Menschen in Indien bereits Hühner.
300 Eier im Jahr produziert eine Legehenne.
20 Milliarden Hühner gibt es auf der Welt – das bedeutet, dass auf jeden Menschen 2,5 Hühner kommen.

Buchtipp: Hühner Liebe

Foto: GU Verlag

Tipps zur Hühnerhaltung von Gehege über Fütterung bis hin zur Anleitung, wie man ein Huhn möglichst schnell und stressfrei für das Tier einfängt, bietet der Ratgeber „Hühnerliebe“ von Katharine von der Leyen. Das ansprechend gestaltete Buch erklärt anschaulich und mit vielen Bildern, worauf es bei der Hühnerhaltung ankommt. Auch erfahrene Hühnerhalter können hier noch etwas über das Federvieh lernen. Mit Rezepten rund ums Ei.

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Leinen los! – der Hundewiesencheck

In vielen Parks und Grünanlagen herrscht für Hunde Leinenzwang. Hundewiesen können eine gute Alternative sein, um dem Vierbeiner Auslauf und Sozialkontakte zu ermöglichen. TIERISCH GUT hat sich auf einigen umgesehen – mit von der Partie Mischlingsrüde Kurti, der Hund unserer Autorin.

Unseren Hundewiesencheck starten wir auf der Hundewiese außerhalb von Weiterstadt, in der Nähe der Justizvollzugsanstalt. Mit einer Länge von 130 Metern und einer Fläche von 1750 Quadratmetern gibt es hier viel Platz zum Toben und Rennen – und auch, damit sich die Hunde aus dem Weg gehen können.

Hier ist vor allem ab dem Nachmittag und an Wochenenden viel los. So auch an dem Mittwoch, als die beiden TIERISCH GUT-Testhunde zu Besuch sind: Gegen 17 Uhr ist die Hundewiese noch leer, knapp eine halbe Stunde später tummeln sich mehr als zehn Vierbeiner auf dem Gelände. Viele der Besucher sind regelmäßig hier – man kennt sich.

Brenzlige Situationen zwischen den Hunden kommen aber auch hier gelegentlich vor. „Am Besten ist, man mischt sich gar nicht ein“, meint eine der Besucherinnen, die mit ihrem zwei Jahre alten Schäferhundmix da ist. „Man muss schon gucken“, eine andere, die mit ihrem sechs Jahre alten Rüden nach einem Spaziergang übers Feld vorbeigeschaut hat.

Ein rund zwei Meter hoher Zaun sorgt für Sicherheit. Das untere Ende des Zauns ist unter die Erdoberfläche eingelassen, um zu verhindern, dass sich Hunde „durchgraben“. Es gibt eine Schleuse am Eingang, die verhindert, dass Tiere entwischen. In der Schleuse stehen Kotbeutelspender bereit und mehrere Mülleimer. Nettes Detail: überall am Zaun der Hundewiese sind Kotbeutel festgeknotet – damit man nicht so weit zum Spender laufen muss. Darum kümmern sich die Besucher selbstständig.

Die Hundewiese ist jeden Tag offen, die Türen werden nicht abgesperrt. Das ist auf den beiden anderen Hundewiesen in Weiterstadt anders. In Braunshardt gibt es einen eingezäunten Auslauf am Feldweg in der Verlängerung der Georgenstraße, der aber nur noch Montag bis Donnerstag geöffnet ist. Ab 20 Uhr und von Freitag bis einschließlich Sonntag bleibt die Hundewiese geschlossen. Anwohner hatten sich nach der Eröffnung vor zwei Jahren über Hundegebell, parkende Autos und laute Gespräche beschwert. Wie angespannt die Stimmung hier ist, bekommen auch wir zu spüren. Als wir zunächst aus Versehen auf den Feldweg fahren, sprechen uns mehrere Anwohner verärgert an und sind auch durch Erklärungen und Entschuldigungen nicht zu besänftigen.

Eine Frau, die selbst mit zwei Hunden unterwegs ist, berichtet von nächtlichen Feiern im Sommer, lautem Gebell und zugeparkten Gehwegen. Sie leide auch darunter, dass die Hundewiese jetzt geschlossen ist, weil sie sie auch nicht mehr nutzen kann.

Von Trubel ist an diesem Abend jedenfalls nichts mehr zu spüren – die erste halbe Stunde sind die beiden TIERISCH GUT-Testhunde hier alleine. Später kommen zwei Weiterstädter dazu, die mit ihrer Hündin eigentlich nicht auf Hundewiesen gehen, gerade aber einen Pflegehund bei sich haben und ihm zuliebe vorbeischauen.

Das Gelände ist rund 2000 Quadratmeter groß und mit Wiese bedeckt, ebenfalls hoch umzäunt und mit einer Schleuse versehen. Kotbeutelspender, Mülleimer und eine Bank gibt es ebenfalls. Auch Wassernäpfe stehen bereit. Fazit: Wer in Ruhe mit seinem Hund trainieren will und auch tagsüber Zeit hat, ist hier gut aufgehoben. Aber Achtung: die Beschilderung ist schlecht, es gibt keine Parkplätze direkt an der Hundewiese und die Anwohner reagieren extrem gereizt auf Falschparker.

Auf der Hundewiese zwischen Gräfenhausen und Schneppenhausen in der Nähe des Friedhofs ist dagegen noch was los: wir treffen auf acht Hunde und ihre zwei Besitzerinnen. Drei davon wetzen gemeinsam über die Wiese, ein anderer steht am Zaun und starrt konzentriert auf ein Mauseloch am Boden. Wieder einer scheint konzentriert etwas auf dem benachbarten Feld zu beobachten. Die meisten davon sind Podencos, erklärt uns eine der Besitzerinnen Verena Prager. „Das ist eine spanische Jagdhundrasse.“ Wegen des ausgeprägten Jagdtriebs ist es schwer bis unmöglich, die Hunde im Gelände frei laufen zu lassen. Für Verena Prager und ihre Freundin, die mit ihren beiden Hunden extra aus Rheinhessen anreist, sind Hundewiesen deswegen enorm wichtig.

www.weiterstadt.de

Fünf goldene Regeln für den Hundewiesenbesuch

  1. Den Hund beim Betreten sofort ableinen – so kann der Vierbeiner ungestört kommunizieren und Situationen aus dem Weg gehen.
  2. Hinterlassenschaften des eigenen Vierbeiners wegräumen.
  3. Mit kranken oder ansteckenden Vierbeinern der Hundewiese fernbleiben.
  4. Mit Leckerlis und Spielzeugen vorsichtig umgehen, da Streit entstehen kann.
    Die aushängenden Hundewiesenregeln beachten.

Mit weniger Komfort müssen sich Hundewiesenbesucher in Darmstadt begnügen. Zwei Hundewiesen gibt es in der Stadt.

Das Gelände im Bürgerpark ist vor allem nachmittags und abends rege besucht. Der Nachteil – es gibt nur einen recht niedrigen Zaun, über den viele Hunde mühelos springen können, und keine Schleuse, sodass Vierbeiner hier leicht entwischen können. Es gibt eine Bank und Wassernäpfe, die Wiese ist jeden Tag geöffnet. Direkt neben der Wiese liegt ein Spielplatz. Außerdem passieren Hundebesitzer den angrenzenden Weg im Park mit ihren Tieren. Auf der anderen Seite der Hundewiese führt eine Straße vorbei. Fazit: Wer Sorge hat, sein Hund könnte abhauen, ist hier nicht unbedingt gut aufgehoben.

Die rund 600 Quadratmeter große Hundewiese in der Orangerie liegt am Rand des Parks neben dem Bolzplatz. Auf der einen Seite ist die Wiese von der Orangeriemauer begrenzt, auf der anderen durch einen Zaun. In der ersten Zeit nach der Eröffnung gab es am Eingang keine Tür, sondern eine rund zwei Meter breite Lücke, durch die Hunde ungebremst in den Rest des Parks entwischen konnten.

Nachdem es Probleme gab und sich einige Hundebesitzer mit Nachdruck bei der Stadt dafür eingesetzt hatten, wurde Anfang 2020 ein Tor angebracht. Ob man hier Hunde trifft, ist Glückssache. Tagsüber war Testhund Kurti hier öfters schon alleine. Wenn hier mehrere Hunde toben, wird es außerdem schnell eng. Für große und lauffreudige Hunde reicht der Platz wohl nicht aus. Kostenpflichtige Parkplätze gibt es in der Orangerie. Besser ist der Park aber zu Fuß oder der Straßenbahn zu erreichen. Die Hundewiese ist rund um die Uhr offen. Fazit: wer in der Nähe wohnt, für den ist die Hundewiese praktisch. Ein Highlight, für das es sich lohnt anzureisen, ist sie nicht.

Es geht auch ohne Zaun

Auf dem Gelände der TU Darmstadt an der Lichtwiese sind Hunde ebenfalls vom Leinenzwang befreit. Hier sind vor allem ab dem späten Nachmittag und am Wochenende viele Hunde unterwegs.

Viele Vierbeiner trifft man außerdem auf den weitläufigen Grundwiesen in Walldorf. Die Wiesen werden vom Grundbach durchzogen – am Ende gibt es einen kleinen See. Parken kann man an den Sportplätzen.

Hundewiese vergessen?

Ihre Lieblingshundewiese ist nicht dabei? Oder es wird demnächst eine in Ihrer Stadt oder Gemeinde eröffnet?

Dann schreiben Sie an info@tierischgut-da.de.

In einer der nächsten Ausgaben veröffentlichen wir die gesammelten Hundewiesen.


Einstein unterwegs

Der Darmstädter Stadtkater war Anfang 2022 eine Woche lang verschwunden. Die Roßdörferin Inge Horneff fand Einstein schließlich auf ihrer Terrasse – und hielt den Kater zuerst für ihren eigenen.

Von Mara Pitz

Foto: Tanja Scriba

Stadtkater Einstein kommt rum: Er stromert durch die Darmstädter Fußgängerzone, schlendert durch Geschäfte und an manchen Abenden springt er bei Kneipenbesuchern in der „Krone“ auf den Schoß. Einstein-Fans posten Fotos und Videos von ihm in einer eigenen Facebookgruppe. Um Silvester aber war Einstein für mehr als eine Woche nicht mehr nach Hause zurückgekehrt.

Von all dem wusste Inge Horneff nichts, als sie am 3. Januar eine Katze auf ihrer Terrasse bemerkte. Die 80-Jährige lebt im zehn Kilometer entfernten Roßdorf in einem betreuten Wohnen für Senioren. Nachbarn hatten Inge Horneff bereits am Tag zuvor von einer Katze erzählt. „Sie dachten, es wäre meine“, sagt Horneff im Gespräch mit TIERISCH GUT. Tatsächlich sieht ihr zwölf Jahre alter Maine-Coon-Mix Mailou dem norwegischen Waldkater ähnlich. Dass es nicht Mailou ist, erkannte Horneff aufgrund ihrer Sehbehinderung erst, als sie näherkam. „Ich sehe nur noch vier Prozent“, berichtet sie. Abends saß der Kater immer noch da. Horneff legte ihm eine Decke zum Schlafen auf die Terrasse.

Am nächsten Tag ging alles ganz schnell: Inge Horneffs Tochter Tanja Scriba machte ein Foto von Einstein und postete es in eine Facebookgruppe für vermisste Tiere, wo er prompt erkannt wurde. Anschließend sicherten die beiden Frauen den Kater: „Wir haben einfach die Terrassentür aufgemacht“, berichtet Tanja Scriba. Und Inge Horneff ergänzt: „Der ist schnurstracks rein, zum Napf, hat gefressen und dann ist er einfach auf die Couch gesprungen“, erzählt die 80-Jährige. „Da hat er sich geputzt und gewartet, bis er abgeholt wird.“ Eine Helferin aus der Facebookgruppe brachte „Steini“ wieder zurück zu seinen Besitzern.

Dass da eine Berühmtheit bei ihr auf dem Sofa saß, wusste Horneff nicht. „Er hat sich nicht bei mir vorgestellt“, scherzt sie. Dass er den ganzen Weg nach Roßdorf gelaufen ist, glaubt sie nicht. „Vielleicht hat ihn jemand mitgenommen oder er ist in einen Bus gestiegen.“ Der Kater hat auch bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen: „Er ist schon ganz besonders liebenswert.“

 


Cativity – auch Katzen wollen beschäftigt werden

Im Handel gibt es mittlerweile viel Katzenspielzeug. Dabei muss man gar nichts kaufen, um seinen Stubentiger artgerecht zu beschäftigen. Katzenpsychologin Carmen Schell aus Dieburg hat vier simple Tipps, die keinen Cent kosten – und eine Empfehlung, die sich besonders für Wohnungskatzen lohnen kann.

Von Mara Pitz

Die Katze gilt als anspruchsloses Haustier: Tagsüber schläft sie im Sessel, nachts geht sie draußen auf Streifzüge, und wenn man im Urlaub ist, übernehmen die Nachbarn die Fütterung. „Damit tut man Katzen Unrecht“, findet Carmen Schell. Die 42 Jahre alte Dieburgerin ist Katzenexpertin und berät Halter bei Problemen mit dem Stubentiger, etwa bei Unsauberkeit oder wenn sich zwei Katzen im Haushalt nicht vertragen. Viele Probleme mit Katzen ließen sich mit ausreichend Beschäftigung verhindern, ist Schell sicher. Ein Kernproblem ist Langeweile zuhause, vor allem bei Abwesenheit der Menschen. Auch eine Zweitkatze schafft hier nicht immer Abhilfe. Denn oft dient sie als Kuschel-, aber nicht als Spielpartner, erklärt die Katzenpsychologin. Deswegen hat Schell „Cativity“ erfunden. Das Wort ist eine Mischung aus dem englischen Cat (Katze) und Activity (Aktivität) und ist angelehnt an „Agility“ aus dem Hundesport. Mit den folgenden Tipps kann man Cativity in den eigenen vier Wänden umsetzen.

Eine Deckenburg bauen: Katzen sind vorwiegend in der Dämmerung aktiv, oft aber auch nachts, wenn ihre Menschen schlafen. Carmen Schell kennt einen einfachen Trick, um dem Stubentiger nachts Abwechslung zu bieten: „Einfach vor dem Schlafengehen einen Stuhl weg vom Tisch nehmen, ihn quer auf den Boden legen und eine Decke drüber werfen.“ Wenn die Katze nachts durch die Wohnung streift, wird sie von dem „unbekannten Objekt“ mitten im Raum fasziniert sein und – ganz in ihrem Tempo – beginnen, es zu erkunden.

Ein „Activity Board“ basteln: „Activity Boards“ sind Katzenspielzeuge, die es auch im Handel gibt. In verschiedenen Fächern oder Öffnungen lassen sich Leckerchen verstecken. Die Katze muss die Futterstückchen erschnüffeln und sie anschließend mit der Pfote herausangeln. Doch auch hierfür gibt es eine einfache selbstgemachte Alternative: Die Fächer eines Eierkartons werden mit Serviettenschnipseln gefüllt, zwischendrin werden Leckerlis gestreut. Diese Variante eignet sich besonders für Katzen, die gerne und oft ihre Pfoten einsetzen. Oder man legt, bevor man das Haus verlässt, einen sogenannten Futterparcours aus Leckerlis oder Pellets in der Wohnung aus. Das bringt auch träge Katzen auf Trapp, erklärt Schell. „Untersuchungen haben gezeigt, dass Katzen sich danach 30 bis 40 Prozent mehr in der Wohnung bewegen.“

„Tabuzonen“ freigeben: Die eigenen vier Wände werden spannender, wenn sich darin immer mal wieder neue Räume eröffnen, die der Stubentiger erkunden darf. „Man kann die Tür zu einem Zimmer öffnen, das sonst immer verschlossen ist“, erklärt die Katzenexpertin, „also eine Tabuzone in der Wohnung freigeben, die die Katze erkunden kann.“ Auch spannend für den Stubentiger: „Mal einen Tag lang den Kleiderschrank offenlassen.“ Selbstverständlich müsse man immer vorher sichergehen, dass dort keine Gefahren für die Katze drohen. Oder an einen eigentlich zu hohen Schrank wird ein Stuhl geschoben, sodass die Katze hinaufspringen kann.

Laufrad: Eine Katze, die wie ein Hamster in einem Laufrad rennt? Das mag auf den ersten Blick befremdlich wirken. Auch Carmen Schell ging es so – bis sie eines der Räder für ihre eigene Katzenseniorin anschaffte. „Sie hat es super angenommen und ist nachts von alleine darin gerannt.“ Seitdem empfiehlt Schell es gerne ihren Kunden. Besonders für Katzen ohne Freigang und mit großem Bewegungsdrang bietet sich das Rad zum Auspowern an. „Denn: In den wenigsten Wohnungen haben Katzen Platz, mal so richtig loszusprinten.“ Auch von älteren Katzen wird das Rad gerne angenommen, hat Schell beobachtet: „Die gleichmäßige Bewegung scheint den müden Knochen besonders gut zu tun.“ Die Räder gibt es aus Holz oder Kunststoff und in verschiedenen Größen. Wichtig ist, dass das Rad groß genug sein, sodass die Wirbelsäule der Katze darin gerade bleibt. Außerdem müssen viele Katzen erst mal an das Trainingsgerät herangeführt werden. Bei ängstlichen Katzen sollte man das Rad zunächst fixieren und sie behutsam ans Ein- und Aussteigen gewöhnen. Bei Herstellern wie „Canadian Cat“ kostet ein Laufrad etwa 300 Euro, gebraucht sind sie auf gängigen Internetplattformen schon für rund 100 Euro zu haben. Es gibt im Internet auch Anleitungen zum Selberbauen.

Katze in den Alltag einbeziehen: Auch in alltägliche Tätigkeiten lässt sie die Katze einbeziehen. Schell gibt ein praktisches Beispiel: „Bevor ich Nudeln ins Kochwasser gebe, werfe ich der Katze eine einzelne quer durch den Raum“, erklärt Schell. Das weckt den Jagdinstinkt des Stubentigers und macht den Menschen im Alltag spannend für die Katze. Eine andere Idee: Den Karton der letzten Online-Bestellung nicht direkt wegschmeißen, sondern ihn der Katze zum Erkunden stehen lassen. Der wichtigste Tipp ist ohnehin: „Durch die eigene Wohnung gegen und versuchen, sie mit Katzenaugen zu sehen.“ Da kann man auch als Mensch noch etwas lernen.

Katzenpsychologin Carmen Schell aus Dieburg, Inhaberin von Cattalk®, berät Katzenbesitzer, Tierärzte und Tierheime im Rhein-Main-Gebiet und via Online-Coaching zu allen Fragen der Haltung und zu Problemverhalten. Außerdem hält sie Fachvorträge, schreibt Bücher zum Thema (u. a. „Second Hand Katze“) und ist regelmäßig in der TV-Sendung „hundkatzemaus“ (Vox) als Katzenexpertin zu sehen. (Mehr auf www.cattalk.de)


Wenn der beste Freund geht

TrHaustiere sind für viele Menschen Familienmitglieder und werden auch so betrauert. Was empfiehlt eine Expertin trauernden Tierbesitzern und deren Umfeld? Wie schnell darf ein neues Tier angeschafft werden? Und wieviel Tod kann man Kindern zumuten?

Von Mara Pitz

Der 2014 verstorbene US-Musiker Lou Reed („Walk On The Wild Side“) war ein harter Kerl. So zumindest beschreibt ihn seine Weggefährtin und Sängerin Patti Smith in einem Interview. Eines Tages, erinnert sie sich, war sie mit Reed in einem Restaurant verabredet. Als Smith hineinkam, saß Lou Reed am Tisch und weinte. Auf die Frage, was los sei, antwortete er: „Entschuldige, aber ich trauere immer noch um meinen Hund.“ Das Tier war vor Monaten gestorben. Der Tod seines Hundes hatte ihn umgehauen.

Vergangenes Jahr gab die US-Sängerin Katy Perry auf Instagram den Tod ihrer 15 Jahre alten Katze bekannt. „Leider hat Kitty letzte Nacht ihr neuntes Leben beendet. Ich hoffe, sie ruht in Lachsfilets und Thunfisch-Tartar ganz oben im Katzenmiezenhimmel“, schrieb Perry auf Englisch. Mehr als 1,7 Millionen Menschen markierten den Beitrag auf dem sozialen Netzwerk mit einem Herz.

Preußenkönig Friedrich der Große war Zeit seines Lebens Hundefreund. Nach dem Tod seiner Hündin „Biche“ 1752 gestand er in einem Brief: „Ich war beschämt, dass der Tod eines Hundes mir so nahegeht.“ Mehr als 30 Jahre später brach er bei der Nachricht vom Ableben seiner Hündin Alcmène eine Manöverinspektion in Schlesien ab und kehrte nach Sanssouci zurück, um von ihr Abschied zu nehmen.

All das kann vermutlich niemand nachvollziehen, der kein Haustier hat. Hund, Katze und Co sind für viele Menschen Familienmitglieder. Und hinterlassen eine große Lücke, wenn sie gehen. Die Trauer um ein Haustier unterscheidet sich nicht wesentlich von der Trauer um einen Menschen, sagt auch Kerstin Schaum. Trauer lässt sich in vier Phasen unterscheiden, die von Leugnen über Verhandeln bis hin zu Akzeptanz
reichen (siehe dazu Box nächste Seite). Schaum ist ausgebildete Trauerbegleiterin, engagierte sich lange in der Hospizbewegung und hat mehrere Bücher zum Thema Trauer und Verlust geschrieben.

Der Tod von Familienhund „Blacky“ vor fünf Jahren veranlasste sie, ein Trauerbuch speziell für Tierbesitzer zu schreiben. Das Büchlein heißt „Du fehlst mir“ und bietet auch Platz für Notizen und Erinnerungen an das Tier. „Ein trauernder Mensch braucht nicht viel, da reichen manchmal auch nur einzelne Worte“, fasst Schaum zusammen, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Höchst im Odenwald lebt. Wichtig war Schaum, dass das Buch auch für Kinder geeignet ist. Ihre beiden Töchter haben daran mitgewirkt. Trauernden Tierbesitzern rät Schaum, ihren Verlust nicht abzutun, sondern ihn bewusst wahrzunehmen. Auch das Umfeld sollte Verständnis aufbringen, auch wenn vielleicht nicht jeder die Trauer nachempfinden kann. Sätze wie „Reiß dich mal zusammen“ seien fehl am Platz.

„Es war doch nur ein Hund oder es war doch nur eine Katze ist das Schlimmste, was man jemandem in so einer Situation sagen kann“, findet auch Stefanie Greenleaf von „Adieu Tierbestattungen“ in Seligenstadt. Gerade in der Corona-Krise trifft der Tod des Vierbeiners viele Menschen besonders hart, hat die Tierbestatterin beobachtet. „Viele Kunden sagen: jetzt ist gar niemand mehr zuhause, mit dem ich reden kann.“ Die Tiere sind durch Homeoffice und Kontaktbeschränkungen zum wichtigsten Partner im Alltag geworden, und das nicht nur für Senioren. Wie groß die Lücke ist, die der Vierbeiner nach dem Tod hinterlässt, weiß Greenleaf aus Erfahrung. „Ich habe selbst auch einige Tierurnen im Regal stehen und kann den Schmerz gut nachfühlen.“ Das ist für sie eine Grundvoraussetzung für ihren Job.

Kerstin Schaum mit Buddy

Auch Trauerexpertin Kerstin Schaum empfiehlt eine würdige Beerdigungszeremonie, um Abschied vom Haustier zu nehmen. Ein erster Schritt nach dem Tod kann auch sein, sich den Körper des verstorbenen Tieres bewusst noch ein Mal anzusehen. Dieses Ritual könne auch Kindern helfen, den Verlust zu begreifen, so Schaum. Ein Patenrezept fürs Trauern gibt es aber nicht, betont Schaum. „Jeder muss seinen eigenen Trauerweg gehen.“ Viele Menschen gehen gerne in die Natur oder an vertraute Orte, um sich mit ihren Gefühlen zu beschäftigen.

In jedem Trauerprozess gebe es einen Punkt, an dem der Betroffene an die nächsten Schritte denken könne: „Möchte ich wieder ein Tier? Oder setze ich meine Tierliebe anders um, engagiere mich im Tierschutz?“ Wie lange es dauert, bis der Mensch an diesen Punkt kommt, ist ebenfalls individuell. Kerstin Schaum rät dennoch davon ab, sich sofort nach dem Tod ein neues Haustier anzuschaffen, quasi als Ersatz. In ihrem Fall sei es mit dem neuen Hund dann doch schneller gegangen, als sie es wollte. Auf „Blacky“ folgte der Shi-Tzu-Mix „Buddy“. „Die Kinder wollten es so“, erklärt Schaum. „Ihnen hat der Hund im Alltag sehr gefehlt.“

Übrigens: Friedrich der Große besaß bis zu seinem Tod 1786 elf Hunde, allesamt Windhunde. Alle wurden seinerzeit auf der Schloss­terrasse von Sanssouci in Potsdam beerdigt. Bis heute erinnern Sandsteinplatten mit ihren Namen an sie.

Die fünf Trauerphasen

Die Begründerin der modernen Sterbeforschung Elisabeth Kübler-Ross hat den Ablauf der Trauer in fünf Phasen beschrieben. Sie lassen sich laut Kerstin Schaum auch auf die Trauer um ein Haustier anwenden.

Leugnen: Es kann nicht wahr sein!
Zorn: Wer hat mir das angetan?
Verhandeln: Wie kann ich es wieder gut machen?
Depression: Ich kann es nicht abwenden!
Akzeptanz: Ich akzeptiere die Situation.

Buchtipps zum Thema

Du fehlst mir – Mein Tiertrauer­buch von Kerstin Schaum, Parzellers Buchverlag & Werbemittel

Nicht nur dein Tier stirbt – Geschichten und Forschungen zur Trauer um Haustiere von Marion Schmitt u. a., Verlag Kern

Mehr als nur eine Katze – ein Trost und Erinnerungsbuch von Kristin Hoffmann, Gütersloher Verlagshaus

Mehr als nur ein Hund – Ein Erinnerungsbuch von Anne Seven, Gütersloher Verlagshaus

Bikos letzter Tag von Saskia Hula, empfohlen für Kinder ab vier Jahren, Klett Kinderbuch


„Als Tierarzt muss man Menschenfreund sein“

Martin Kniese ist seit 35 Jahren Tierarzt – seit 30 Jahren mit eigener Praxis in Darmstadt. Im TIERISCH-GUT-Interview spricht er über die schönen und traurigen Seiten seines Praxisalltags, die Folgen des illegalen Welpenhandels und darüber, welchen Rat er verunsicherten Tierbesitzern gibt.

Von Mara Pitz

Herr Kniese, Sie sind wohl Darmstadts bekanntester Tierarzt und behandeln in Ihrer Praxis Katzen, Hunde, Kleintiere und Reptilien – wie verteilt sich das so ungefähr auf ihre Kundschaft?
Ungefähr 50 Prozent sind Hunde, 35 Prozent Katzen und der Rest sind Heimtiere und Exoten. Bei den Kleintieren sind es vor allem Meerschweinchen und Kaninchen, bei den Reptilien sind es überwiegend Schildkröten.

Corona hat ja einen regelrechten Haustierboom ausgelöst, vor allem bei Hunden. Merken Sie den auch in Ihrer Praxis?
Sehr. Wir haben sehr viele Neuanmeldungen mit Welpen und auch einen deutlich gesteigerten Arbeitsaufwand. Grundsätzlich nehmen wir immer noch Patienten auf, aber es gab schon Tage, an denen wir keinen Termin mehr anbieten konnten.

Sehen Sie diese Entwicklung positiv oder eher negativ?
Vor allem für die kleineren Praxen ist dieser Zuwachs sehr positiv. Für unsere Praxis eröffnet das die Möglichkeit, in neue Apparate zu investieren. Wir haben uns zum Beispiel auf den Schwerpunkt Zahngesundheit spezialisiert. Was es für die Tiere bedeutet, da sind wir uns noch nicht sicher: Können alle Haustiere, die jetzt angeschafft wurden, auch dauerhaft dort bleiben, wo sie sind? Oder landen viele davon im Tierheim, wie befürchtet wird? Bei unseren Kunden kann ich das bis jetzt aber nicht bestätigen. Die haben sich die Anschaffung eines Tieres in der Regel gut überlegt. Ich sehe das im Großen und Ganzen also eher positiv.

Jetzt tauchen bei Ihnen natürlich auch nur die Halter auf, die sich um ihr Tier sorgen und kümmern. Haben Sie eine Idee, wie groß die Dunkelziffer ist?
Menschen, die sich nicht angemessen um ihr Tier kümmern, gibt es leider. Aber die hat es immer schon gegeben und die wird es auch immer geben.

»Der Tierhalter muss alles verstehen, akzeptieren und er muss es letztlich auch bezahlen.«

Leider hat ja auch der illegale Welpenhandel zugenommen. Es gab durch illegal importierte Welpen jüngst einen Tollwutfall in Bremen und in Darmstadt wurde kürzlich eine Frau zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie Welpen eingeführt hatte, die noch nicht geben Tollwut geimpft waren. Warum ist das so gefährlich?
Tollwut ist eine für Mensch und Tier tödliche Erkrankung. Wildtollwut, die meist von Füchsen übertragen wurde, existiert seit 2008 in Deutschland nicht mehr. Nichtsdestotrotz besteht die Gefahr, dass sie durch Exporttiere in Einzelfällen wieder eingeschleppt wird wie jetzt in Bremen. Und dann besteht die Gefahr, dass es wieder zu einer seuchenartigen Verbreitung kommen kann, wenn keine Herden­immunität durch Impfung besteht. Jetzt ist es zum Glück so, dass die Reiselust der Tierhalter groß ist, sodass sehr viele Hunde gegen Tollwut geimpft sind, weil man dies für Auslandsaufenthalte braucht.

Und wenn ich nie mit dem Hund ins Ausland reise?
Das Problem ist: Wenn der seltene Fall eintritt wie jetzt in Bremen, dass ein tollwütiger Hund eingeführt wird, und der eigene Hund mit diesem Hund beispielsweise in der Welpenspielstunde oder beim Spazierengehen Kontakt hatte und keinen gültigen Impfschutz hat, kann das Veterinäramt die Tötung anweisen. Das ist dann der Supergau, wenn ein gesunder Hund eingeschläfert werden muss, von Amts wegen, weil die Impfung fehlt. Dieses Risiko ist natürlich sehr gering, aber wenn es passiert, ist es eine Katastrophe für alle Beteiligten.

Und bei Katzen?
Da sieht es anders aus. Eine Katze, die im Freilauf in Darmstadt in den Hinterhöfen und im Garten herumspaziert, muss man sicher nicht gegen Tollwut impfen. Wir beraten unsere Kunden zu solchen Fragen ausführlich. In der Regel sind die Menschen, die zu uns in die Praxis kommen, eher zu besorgt und man muss ihnen die Ängste nehmen.

Hat das zugenommen, Stichwort Vermenschlichung?
Es heißt ja immer, „das letzte Kind hat Fell“ (lacht). Viele Haustiere haben eine sehr enge Bindung an ihre Halter, aber das war vor 30 Jahren, als ich mit der Praxis angefangen habe, auch schon so. Eine Kollegin aus Österreich sagte mal: „Den Leuten fehlt der Hausverstand“ – damit meint der Österreicher den gesunden Menschenverstand, Dinge einschätzen zu können. So werden harmlose Situationen mit dem Haustier oft als Notfall tituliert, weil die Tierhalter nicht einschätzen können, was wirklich ernst ist und was nicht. So gibt es viel unnötige Aufregung um harmlose Erscheinungen, die dann die Notdienste belasten.

Zum Beispiel?
Der Hund hat ein, zwei Mal erbrochen nach dem Spaziergang. Das machen Haustiere eben manchmal, wenn sie etwas gefressen haben, was sie nicht sollten. Auch ein Mensch hat mal Situationen, in denen er erbricht, ohne gleich in die Notaufnahme zu gehen. Oder man hat sich den Fuß verknackst und kann ein paar Stunden nicht richtig auftreten. Manchmal sind die Symptome schon wieder weg, wenn die Tiere in der Praxis vorgestellt werden, weil das Füßchen schon nicht mehr wehtut oder das Erbrechen weg ist. Ich sage immer: „Überlegen Sie mal, was Sie als Mensch machen würden in der gleichen Situation.“

»Man kann noch so ein guter Tierarzt sein, aber wenn man die Zähne nicht auseinanderbekommt, wird man keinen Erfolg haben.«

Wieviel Anteil Ihrer Arbeit ist eigentlich am Tier und wieviel am Menschen?
Das teilt sich hälftig auf. Unsere eigentlichen Patienten sind natürlich die Tiere, aber der Tierhalter muss alles verstehen, akzeptieren und er muss es letztlich auch bezahlen. Das Wissen der Tierhalter über medizinische Dinge ist aber auch viel größer geworden und damit auch der Gesprächsbedarf.

Würden Sie sagen, ein guter Tierarzt muss ein Menschenfreund sein?
Unbedingt. Das Problem ist, dass viele Menschen Tierarzt werden, weil sie mit Tieren besser klarkommen als mit Menschen. Das ist für einen Tierarzt in der Kleintierpraxis der falsche Zugang. Mancher muss es dann im Lauf des Lebens erst erlernen, denn das ist das A und O. Man kann noch so ein guter Tierarzt sein, aber wenn man die Zähne nicht auseinanderbekommt, wird man keinen Erfolg haben. Niemand will, dass seine Katze auf den Tisch gesetzt wird, eine Spritze in den Po gejagt bekommt, dann zurück in den Korb kommt, es gibt einen Stempel in den Impfpass und niemand sagt einen Ton. Die Leute wollen kommunizieren und auch ein positives Erlebnis in der Praxis haben.

Was sind die häufigsten Fehler, die Tierhalter machen?
Eine zu gut gemeinte Ernährung. Hier ist das Problem oft, dass es mehrere Tierhalter gibt und das Tier von mehreren Menschen gefüttert wird und überall Kekse abgreift. Zum Beispiel, wenn jüngere Leute einen Hund haben und ihn tagsüber, während sie arbeiten, zu den Eltern geben. Viele Kunden haben ein Einsehen, wenn sie sehen, dass das Übergewicht zu gesundheitlichen Problemen führt, wenn man ihnen sagt, ihr Tier hat Schmerzen und muss jetzt mal ein paar Kilo abnehmen.

Es gibt ja bei Hunden immer mehr rassebedingte Krankheiten, oder?
Ja, das nimmt zu, insbesondere weil die kurznasigen Rassen in Mode gekommen sind. Insbesondere Französische Bulldogge und Mops sind da zu nennen. Sie wurden immer mehr auf Kurznasigkeit gezüchtet, um ein menschenähnliches Antlitz zu bekommen, so eine Art Kindchenschema, was die Leute anspricht. Den Haltern ist oft gar nicht klar, was sie sich da antun, bis der Hund größer wird und nachher schwere Operationen über sich ergehen lassen muss, weil er sonst ersticken würde. Es wird aber jetzt immer mehr für das Thema sensibilisiert. Der Trend zu ungewöhnlichen Farben und ungewöhnlichem Äußerem der Tiere hat zugenommen – und das zum Nachteil der Tiere.

Dabei sagen viele, das Schnorcheln und Schnarchen vom Mops ist so süß …
Letztendlich ist es ein Zeichen dafür, dass der Hund Atemnot hat.

Martin Kniese mit Hündin Elza in seinem Jagdrevier in der Grube Messel.

Sie sind ja Jäger und haben Ihr Revier in der Grube Messel. Wie kam es dazu?
Mich hat das ganze Thema Wildbiologie sehr interessiert. Wir brauchen die Jagd zum Erhalt unseres Waldes und unserer Kulturlandschaft. Außerdem war die Ernährung für mich ein Thema. Ich habe mich mit meinem Fleischkonsum beschäftigt und wollte kein Fleisch aus der Massenproduktion mehr essen. Und selbst gejagtes Fleisch ist eben das beste Lebensmittel, wenn es ordentlich und tiergerecht gejagt ist. Sehr viele Tierärzte sind Jäger, die meisten machen es aber heimlich. Das ist ein heikles Thema, weil Jäger in der Öffentlichkeit oft negativ dargestellt werden und – teils zurecht – in der Kritik stehen. Ich bin auch Ausbilder und Prüfer für Jäger, einfach weil es mir ein Anliegen ist, dass die Jagd tiergerecht durchgeführt wird und dass sich die Jagd modernisiert. Ich habe mir extra ein Jagdrevier ausgesucht, wo die Jagd wegen der anderen Nutzer der Grube, nur verhalten ausgeübt werden darf.

Ihre Hündin ist ja heute mit Ihnen hier in der Praxis. Ist sie der einzige Hund, der keine Angst vorm Tierarzt hat?
Elza ist nicht so begeistert, weil hier immer komische Sachen mit ihr passieren wie Krallen schneiden und Haare kämmen, aber sie kommt tapfer mit und liegt dann ruhig im Büro. Ein zweiter Hund, den es immer gab, ist bei uns im Garten begraben. Außerdem gibt es eine Katze und zwei Schildkröten.

Hündin Elza ist Martin Knieses siebter Hund. Sie ist ein „Irish Wolf Hound“, ein irischer Wolfhund, eine der größten Hunderassen.

Gibt es eigentlich auch Situationen, die Sie schlecht abschütteln können und die Sie mit nach Hause nehmen?
Wenn man den Beruf, den ich jetzt seit 35 Jahren mache, halbwegs unbeschadet überstehen will, bei all dem Unerfreulichen, muss man klare Grenzen ziehen zwischen der Arbeit und dem Privaten. Nicht umsonst haben Tierärzte die höchste Suizidrate von allen akademischen Berufen. Was mir aber zunehmend schwerer fällt, ist wenn ich Patienten, die ich, vom Welpenalter an, seit 15 Jahren kenne, erlösen muss. Das ist etwas, von dem ich dachte, dass es mir mit der Zeit leichter fallen würde. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der letzte Gang zum Tierarzt ist etwas, was ich gerne den Tierärztinnen in meiner Praxis überlassen würde, nichtsdestotrotz mache ich es gerade bei langjährigen Kunden häufig noch selbst. Ich wünschte, die Tiere würden von alleine zuhause sanft einschlafen, was aber leider so gut wie nie passiert.

»Sehr viele Tierärzte sind Jäger, die meisten machen es aber heimlich.«

ZUR PERSON
Martin Kniese, Jahrgang 1958, betreibt seine Praxis in der Wilhelm-Glässing-Straße 2 (unmittelbar am City-Tunnel) seit 1992. Neben ihm sind dort vier weitere Tierärztinnen beschäftigt. Er ist verheiratet und lebt in Darmstadt.

Buchtipp zum Thema

In „Das Kuscheltierdrama“ erzählt der Berliner Veterinär Achim Gruber aus seinem Alltag als Tierpathologe. Untertitel: „Über das stille Leiden der Haustiere“. Eine Mischung aus Sachbuch, Ratgeber und Krimi – denn viele der beschriebenen Fälle lesen sich wie ein Krimi. Das Buch ist 2019 als Taschenbuch und E-Book erschienen.

Das Kuscheltierdrama · ISBN 978-3-426-30202-6 · Droemer