Einstein unterwegs

Der Darmstädter Stadtkater war Anfang 2022 eine Woche lang verschwunden. Die Roßdörferin Inge Horneff fand Einstein schließlich auf ihrer Terrasse – und hielt den Kater zuerst für ihren eigenen.

Von Mara Pitz

Foto: Tanja Scriba

Stadtkater Einstein kommt rum: Er stromert durch die Darmstädter Fußgängerzone, schlendert durch Geschäfte und an manchen Abenden springt er bei Kneipenbesuchern in der „Krone“ auf den Schoß. Einstein-Fans posten Fotos und Videos von ihm in einer eigenen Facebookgruppe. Um Silvester aber war Einstein für mehr als eine Woche nicht mehr nach Hause zurückgekehrt.

Von all dem wusste Inge Horneff nichts, als sie am 3. Januar eine Katze auf ihrer Terrasse bemerkte. Die 80-Jährige lebt im zehn Kilometer entfernten Roßdorf in einem betreuten Wohnen für Senioren. Nachbarn hatten Inge Horneff bereits am Tag zuvor von einer Katze erzählt. „Sie dachten, es wäre meine“, sagt Horneff im Gespräch mit TIERISCH GUT. Tatsächlich sieht ihr zwölf Jahre alter Maine-Coon-Mix Mailou dem norwegischen Waldkater ähnlich. Dass es nicht Mailou ist, erkannte Horneff aufgrund ihrer Sehbehinderung erst, als sie näherkam. „Ich sehe nur noch vier Prozent“, berichtet sie. Abends saß der Kater immer noch da. Horneff legte ihm eine Decke zum Schlafen auf die Terrasse.

Am nächsten Tag ging alles ganz schnell: Inge Horneffs Tochter Tanja Scriba machte ein Foto von Einstein und postete es in eine Facebookgruppe für vermisste Tiere, wo er prompt erkannt wurde. Anschließend sicherten die beiden Frauen den Kater: „Wir haben einfach die Terrassentür aufgemacht“, berichtet Tanja Scriba. Und Inge Horneff ergänzt: „Der ist schnurstracks rein, zum Napf, hat gefressen und dann ist er einfach auf die Couch gesprungen“, erzählt die 80-Jährige. „Da hat er sich geputzt und gewartet, bis er abgeholt wird.“ Eine Helferin aus der Facebookgruppe brachte „Steini“ wieder zurück zu seinen Besitzern.

Dass da eine Berühmtheit bei ihr auf dem Sofa saß, wusste Horneff nicht. „Er hat sich nicht bei mir vorgestellt“, scherzt sie. Dass er den ganzen Weg nach Roßdorf gelaufen ist, glaubt sie nicht. „Vielleicht hat ihn jemand mitgenommen oder er ist in einen Bus gestiegen.“ Der Kater hat auch bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen: „Er ist schon ganz besonders liebenswert.“

 


Cativity – auch Katzen wollen beschäftigt werden

Im Handel gibt es mittlerweile viel Katzenspielzeug. Dabei muss man gar nichts kaufen, um seinen Stubentiger artgerecht zu beschäftigen. Katzenpsychologin Carmen Schell aus Dieburg hat vier simple Tipps, die keinen Cent kosten – und eine Empfehlung, die sich besonders für Wohnungskatzen lohnen kann.

Von Mara Pitz

Die Katze gilt als anspruchsloses Haustier: Tagsüber schläft sie im Sessel, nachts geht sie draußen auf Streifzüge, und wenn man im Urlaub ist, übernehmen die Nachbarn die Fütterung. „Damit tut man Katzen Unrecht“, findet Carmen Schell. Die 42 Jahre alte Dieburgerin ist Katzenexpertin und berät Halter bei Problemen mit dem Stubentiger, etwa bei Unsauberkeit oder wenn sich zwei Katzen im Haushalt nicht vertragen. Viele Probleme mit Katzen ließen sich mit ausreichend Beschäftigung verhindern, ist Schell sicher. Ein Kernproblem ist Langeweile zuhause, vor allem bei Abwesenheit der Menschen. Auch eine Zweitkatze schafft hier nicht immer Abhilfe. Denn oft dient sie als Kuschel-, aber nicht als Spielpartner, erklärt die Katzenpsychologin. Deswegen hat Schell „Cativity“ erfunden. Das Wort ist eine Mischung aus dem englischen Cat (Katze) und Activity (Aktivität) und ist angelehnt an „Agility“ aus dem Hundesport. Mit den folgenden Tipps kann man Cativity in den eigenen vier Wänden umsetzen.

Eine Deckenburg bauen: Katzen sind vorwiegend in der Dämmerung aktiv, oft aber auch nachts, wenn ihre Menschen schlafen. Carmen Schell kennt einen einfachen Trick, um dem Stubentiger nachts Abwechslung zu bieten: „Einfach vor dem Schlafengehen einen Stuhl weg vom Tisch nehmen, ihn quer auf den Boden legen und eine Decke drüber werfen.“ Wenn die Katze nachts durch die Wohnung streift, wird sie von dem „unbekannten Objekt“ mitten im Raum fasziniert sein und – ganz in ihrem Tempo – beginnen, es zu erkunden.

Ein „Activity Board“ basteln: „Activity Boards“ sind Katzenspielzeuge, die es auch im Handel gibt. In verschiedenen Fächern oder Öffnungen lassen sich Leckerchen verstecken. Die Katze muss die Futterstückchen erschnüffeln und sie anschließend mit der Pfote herausangeln. Doch auch hierfür gibt es eine einfache selbstgemachte Alternative: Die Fächer eines Eierkartons werden mit Serviettenschnipseln gefüllt, zwischendrin werden Leckerlis gestreut. Diese Variante eignet sich besonders für Katzen, die gerne und oft ihre Pfoten einsetzen. Oder man legt, bevor man das Haus verlässt, einen sogenannten Futterparcours aus Leckerlis oder Pellets in der Wohnung aus. Das bringt auch träge Katzen auf Trapp, erklärt Schell. „Untersuchungen haben gezeigt, dass Katzen sich danach 30 bis 40 Prozent mehr in der Wohnung bewegen.“

„Tabuzonen“ freigeben: Die eigenen vier Wände werden spannender, wenn sich darin immer mal wieder neue Räume eröffnen, die der Stubentiger erkunden darf. „Man kann die Tür zu einem Zimmer öffnen, das sonst immer verschlossen ist“, erklärt die Katzenexpertin, „also eine Tabuzone in der Wohnung freigeben, die die Katze erkunden kann.“ Auch spannend für den Stubentiger: „Mal einen Tag lang den Kleiderschrank offenlassen.“ Selbstverständlich müsse man immer vorher sichergehen, dass dort keine Gefahren für die Katze drohen. Oder an einen eigentlich zu hohen Schrank wird ein Stuhl geschoben, sodass die Katze hinaufspringen kann.

Laufrad: Eine Katze, die wie ein Hamster in einem Laufrad rennt? Das mag auf den ersten Blick befremdlich wirken. Auch Carmen Schell ging es so – bis sie eines der Räder für ihre eigene Katzenseniorin anschaffte. „Sie hat es super angenommen und ist nachts von alleine darin gerannt.“ Seitdem empfiehlt Schell es gerne ihren Kunden. Besonders für Katzen ohne Freigang und mit großem Bewegungsdrang bietet sich das Rad zum Auspowern an. „Denn: In den wenigsten Wohnungen haben Katzen Platz, mal so richtig loszusprinten.“ Auch von älteren Katzen wird das Rad gerne angenommen, hat Schell beobachtet: „Die gleichmäßige Bewegung scheint den müden Knochen besonders gut zu tun.“ Die Räder gibt es aus Holz oder Kunststoff und in verschiedenen Größen. Wichtig ist, dass das Rad groß genug sein, sodass die Wirbelsäule der Katze darin gerade bleibt. Außerdem müssen viele Katzen erst mal an das Trainingsgerät herangeführt werden. Bei ängstlichen Katzen sollte man das Rad zunächst fixieren und sie behutsam ans Ein- und Aussteigen gewöhnen. Bei Herstellern wie „Canadian Cat“ kostet ein Laufrad etwa 300 Euro, gebraucht sind sie auf gängigen Internetplattformen schon für rund 100 Euro zu haben. Es gibt im Internet auch Anleitungen zum Selberbauen.

Katze in den Alltag einbeziehen: Auch in alltägliche Tätigkeiten lässt sie die Katze einbeziehen. Schell gibt ein praktisches Beispiel: „Bevor ich Nudeln ins Kochwasser gebe, werfe ich der Katze eine einzelne quer durch den Raum“, erklärt Schell. Das weckt den Jagdinstinkt des Stubentigers und macht den Menschen im Alltag spannend für die Katze. Eine andere Idee: Den Karton der letzten Online-Bestellung nicht direkt wegschmeißen, sondern ihn der Katze zum Erkunden stehen lassen. Der wichtigste Tipp ist ohnehin: „Durch die eigene Wohnung gegen und versuchen, sie mit Katzenaugen zu sehen.“ Da kann man auch als Mensch noch etwas lernen.

Katzenpsychologin Carmen Schell aus Dieburg, Inhaberin von Cattalk®, berät Katzenbesitzer, Tierärzte und Tierheime im Rhein-Main-Gebiet und via Online-Coaching zu allen Fragen der Haltung und zu Problemverhalten. Außerdem hält sie Fachvorträge, schreibt Bücher zum Thema (u. a. „Second Hand Katze“) und ist regelmäßig in der TV-Sendung „hundkatzemaus“ (Vox) als Katzenexpertin zu sehen. (Mehr auf www.cattalk.de)


Wenn der beste Freund geht

TrHaustiere sind für viele Menschen Familienmitglieder und werden auch so betrauert. Was empfiehlt eine Expertin trauernden Tierbesitzern und deren Umfeld? Wie schnell darf ein neues Tier angeschafft werden? Und wieviel Tod kann man Kindern zumuten?

Von Mara Pitz

Der 2014 verstorbene US-Musiker Lou Reed („Walk On The Wild Side“) war ein harter Kerl. So zumindest beschreibt ihn seine Weggefährtin und Sängerin Patti Smith in einem Interview. Eines Tages, erinnert sie sich, war sie mit Reed in einem Restaurant verabredet. Als Smith hineinkam, saß Lou Reed am Tisch und weinte. Auf die Frage, was los sei, antwortete er: „Entschuldige, aber ich trauere immer noch um meinen Hund.“ Das Tier war vor Monaten gestorben. Der Tod seines Hundes hatte ihn umgehauen.

Vergangenes Jahr gab die US-Sängerin Katy Perry auf Instagram den Tod ihrer 15 Jahre alten Katze bekannt. „Leider hat Kitty letzte Nacht ihr neuntes Leben beendet. Ich hoffe, sie ruht in Lachsfilets und Thunfisch-Tartar ganz oben im Katzenmiezenhimmel“, schrieb Perry auf Englisch. Mehr als 1,7 Millionen Menschen markierten den Beitrag auf dem sozialen Netzwerk mit einem Herz.

Preußenkönig Friedrich der Große war Zeit seines Lebens Hundefreund. Nach dem Tod seiner Hündin „Biche“ 1752 gestand er in einem Brief: „Ich war beschämt, dass der Tod eines Hundes mir so nahegeht.“ Mehr als 30 Jahre später brach er bei der Nachricht vom Ableben seiner Hündin Alcmène eine Manöverinspektion in Schlesien ab und kehrte nach Sanssouci zurück, um von ihr Abschied zu nehmen.

All das kann vermutlich niemand nachvollziehen, der kein Haustier hat. Hund, Katze und Co sind für viele Menschen Familienmitglieder. Und hinterlassen eine große Lücke, wenn sie gehen. Die Trauer um ein Haustier unterscheidet sich nicht wesentlich von der Trauer um einen Menschen, sagt auch Kerstin Schaum. Trauer lässt sich in vier Phasen unterscheiden, die von Leugnen über Verhandeln bis hin zu Akzeptanz
reichen (siehe dazu Box nächste Seite). Schaum ist ausgebildete Trauerbegleiterin, engagierte sich lange in der Hospizbewegung und hat mehrere Bücher zum Thema Trauer und Verlust geschrieben.

Der Tod von Familienhund „Blacky“ vor fünf Jahren veranlasste sie, ein Trauerbuch speziell für Tierbesitzer zu schreiben. Das Büchlein heißt „Du fehlst mir“ und bietet auch Platz für Notizen und Erinnerungen an das Tier. „Ein trauernder Mensch braucht nicht viel, da reichen manchmal auch nur einzelne Worte“, fasst Schaum zusammen, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Höchst im Odenwald lebt. Wichtig war Schaum, dass das Buch auch für Kinder geeignet ist. Ihre beiden Töchter haben daran mitgewirkt. Trauernden Tierbesitzern rät Schaum, ihren Verlust nicht abzutun, sondern ihn bewusst wahrzunehmen. Auch das Umfeld sollte Verständnis aufbringen, auch wenn vielleicht nicht jeder die Trauer nachempfinden kann. Sätze wie „Reiß dich mal zusammen“ seien fehl am Platz.

„Es war doch nur ein Hund oder es war doch nur eine Katze ist das Schlimmste, was man jemandem in so einer Situation sagen kann“, findet auch Stefanie Greenleaf von „Adieu Tierbestattungen“ in Seligenstadt. Gerade in der Corona-Krise trifft der Tod des Vierbeiners viele Menschen besonders hart, hat die Tierbestatterin beobachtet. „Viele Kunden sagen: jetzt ist gar niemand mehr zuhause, mit dem ich reden kann.“ Die Tiere sind durch Homeoffice und Kontaktbeschränkungen zum wichtigsten Partner im Alltag geworden, und das nicht nur für Senioren. Wie groß die Lücke ist, die der Vierbeiner nach dem Tod hinterlässt, weiß Greenleaf aus Erfahrung. „Ich habe selbst auch einige Tierurnen im Regal stehen und kann den Schmerz gut nachfühlen.“ Das ist für sie eine Grundvoraussetzung für ihren Job.

Kerstin Schaum mit Buddy

Auch Trauerexpertin Kerstin Schaum empfiehlt eine würdige Beerdigungszeremonie, um Abschied vom Haustier zu nehmen. Ein erster Schritt nach dem Tod kann auch sein, sich den Körper des verstorbenen Tieres bewusst noch ein Mal anzusehen. Dieses Ritual könne auch Kindern helfen, den Verlust zu begreifen, so Schaum. Ein Patenrezept fürs Trauern gibt es aber nicht, betont Schaum. „Jeder muss seinen eigenen Trauerweg gehen.“ Viele Menschen gehen gerne in die Natur oder an vertraute Orte, um sich mit ihren Gefühlen zu beschäftigen.

In jedem Trauerprozess gebe es einen Punkt, an dem der Betroffene an die nächsten Schritte denken könne: „Möchte ich wieder ein Tier? Oder setze ich meine Tierliebe anders um, engagiere mich im Tierschutz?“ Wie lange es dauert, bis der Mensch an diesen Punkt kommt, ist ebenfalls individuell. Kerstin Schaum rät dennoch davon ab, sich sofort nach dem Tod ein neues Haustier anzuschaffen, quasi als Ersatz. In ihrem Fall sei es mit dem neuen Hund dann doch schneller gegangen, als sie es wollte. Auf „Blacky“ folgte der Shi-Tzu-Mix „Buddy“. „Die Kinder wollten es so“, erklärt Schaum. „Ihnen hat der Hund im Alltag sehr gefehlt.“

Übrigens: Friedrich der Große besaß bis zu seinem Tod 1786 elf Hunde, allesamt Windhunde. Alle wurden seinerzeit auf der Schloss­terrasse von Sanssouci in Potsdam beerdigt. Bis heute erinnern Sandsteinplatten mit ihren Namen an sie.

Die fünf Trauerphasen

Die Begründerin der modernen Sterbeforschung Elisabeth Kübler-Ross hat den Ablauf der Trauer in fünf Phasen beschrieben. Sie lassen sich laut Kerstin Schaum auch auf die Trauer um ein Haustier anwenden.

Leugnen: Es kann nicht wahr sein!
Zorn: Wer hat mir das angetan?
Verhandeln: Wie kann ich es wieder gut machen?
Depression: Ich kann es nicht abwenden!
Akzeptanz: Ich akzeptiere die Situation.

Buchtipps zum Thema

Du fehlst mir – Mein Tiertrauer­buch von Kerstin Schaum, Parzellers Buchverlag & Werbemittel

Nicht nur dein Tier stirbt – Geschichten und Forschungen zur Trauer um Haustiere von Marion Schmitt u. a., Verlag Kern

Mehr als nur eine Katze – ein Trost und Erinnerungsbuch von Kristin Hoffmann, Gütersloher Verlagshaus

Mehr als nur ein Hund – Ein Erinnerungsbuch von Anne Seven, Gütersloher Verlagshaus

Bikos letzter Tag von Saskia Hula, empfohlen für Kinder ab vier Jahren, Klett Kinderbuch


Gestatten: Maine Coon

Unser Tier-Poster

Unser TIERISCH GUT Postermotiv / Foto: Anja Eitzelberger

Maine Coons gehören mittlerweile zu den beliebtesten Katzenrassen und werden auch in Deutschland immer häufiger gehalten. Ihnen wird ein ausgeglichener Charakter, eine gewisse Geselligkeit und Intelligenz nachgesagt. Es ist einigen Haltern schon gelungen, ihnen kleine Kunststückchen beizubringen. Sie haben einen recht muskulösen Körper, Kater bringen gerne 6 bis 8 Kilogramm auf die Waage. Sie können bis zu 120 Zentimeter lang werden und eine Schulterhöhe von bis zu 40 Zentimeter erreichen. Maine Coons können als reine Wohnungskatzen gehalten werden, brauchen dann aber viele Spielmöglichkeiten (Intelligenzspielzeug) als Beschäftigung. Sie sind im Gegensatz zu Hauskatzen sogar wasserliebend und spielen durchaus auch mit ihrem Wassernapf.

Obwohl Maine Coones ein langes Fell haben, ist die Pflege nicht sehr aufwändig. Denn sie haben wenig Unterwolle unter dem halblangen Deckhaar. Es reicht, wenn sie einmal pro Woche sorgfältig gekämmt werden.

Maine Coons ähneln der Norwegischen Waldkatze, stammen aber aus Amerika aus dem Staat Maine. Die Einwohner sind zurecht stolz auf die schönen Tiere. In den 1950-er Jahren wurden sie Showkatzen genannt und auf Rasseausstellungen präsentiert.

Fellow mit Kumpel Shiri im Cat-Mobile

„Als Tierarzt muss man Menschenfreund sein“

Martin Kniese ist seit 35 Jahren Tierarzt – seit 30 Jahren mit eigener Praxis in Darmstadt. Im TIERISCH-GUT-Interview spricht er über die schönen und traurigen Seiten seines Praxisalltags, die Folgen des illegalen Welpenhandels und darüber, welchen Rat er verunsicherten Tierbesitzern gibt.

Von Mara Pitz

Herr Kniese, Sie sind wohl Darmstadts bekanntester Tierarzt und behandeln in Ihrer Praxis Katzen, Hunde, Kleintiere und Reptilien – wie verteilt sich das so ungefähr auf ihre Kundschaft?
Ungefähr 50 Prozent sind Hunde, 35 Prozent Katzen und der Rest sind Heimtiere und Exoten. Bei den Kleintieren sind es vor allem Meerschweinchen und Kaninchen, bei den Reptilien sind es überwiegend Schildkröten.

Corona hat ja einen regelrechten Haustierboom ausgelöst, vor allem bei Hunden. Merken Sie den auch in Ihrer Praxis?
Sehr. Wir haben sehr viele Neuanmeldungen mit Welpen und auch einen deutlich gesteigerten Arbeitsaufwand. Grundsätzlich nehmen wir immer noch Patienten auf, aber es gab schon Tage, an denen wir keinen Termin mehr anbieten konnten.

Sehen Sie diese Entwicklung positiv oder eher negativ?
Vor allem für die kleineren Praxen ist dieser Zuwachs sehr positiv. Für unsere Praxis eröffnet das die Möglichkeit, in neue Apparate zu investieren. Wir haben uns zum Beispiel auf den Schwerpunkt Zahngesundheit spezialisiert. Was es für die Tiere bedeutet, da sind wir uns noch nicht sicher: Können alle Haustiere, die jetzt angeschafft wurden, auch dauerhaft dort bleiben, wo sie sind? Oder landen viele davon im Tierheim, wie befürchtet wird? Bei unseren Kunden kann ich das bis jetzt aber nicht bestätigen. Die haben sich die Anschaffung eines Tieres in der Regel gut überlegt. Ich sehe das im Großen und Ganzen also eher positiv.

Jetzt tauchen bei Ihnen natürlich auch nur die Halter auf, die sich um ihr Tier sorgen und kümmern. Haben Sie eine Idee, wie groß die Dunkelziffer ist?
Menschen, die sich nicht angemessen um ihr Tier kümmern, gibt es leider. Aber die hat es immer schon gegeben und die wird es auch immer geben.

»Der Tierhalter muss alles verstehen, akzeptieren und er muss es letztlich auch bezahlen.«

Leider hat ja auch der illegale Welpenhandel zugenommen. Es gab durch illegal importierte Welpen jüngst einen Tollwutfall in Bremen und in Darmstadt wurde kürzlich eine Frau zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie Welpen eingeführt hatte, die noch nicht geben Tollwut geimpft waren. Warum ist das so gefährlich?
Tollwut ist eine für Mensch und Tier tödliche Erkrankung. Wildtollwut, die meist von Füchsen übertragen wurde, existiert seit 2008 in Deutschland nicht mehr. Nichtsdestotrotz besteht die Gefahr, dass sie durch Exporttiere in Einzelfällen wieder eingeschleppt wird wie jetzt in Bremen. Und dann besteht die Gefahr, dass es wieder zu einer seuchenartigen Verbreitung kommen kann, wenn keine Herden­immunität durch Impfung besteht. Jetzt ist es zum Glück so, dass die Reiselust der Tierhalter groß ist, sodass sehr viele Hunde gegen Tollwut geimpft sind, weil man dies für Auslandsaufenthalte braucht.

Und wenn ich nie mit dem Hund ins Ausland reise?
Das Problem ist: Wenn der seltene Fall eintritt wie jetzt in Bremen, dass ein tollwütiger Hund eingeführt wird, und der eigene Hund mit diesem Hund beispielsweise in der Welpenspielstunde oder beim Spazierengehen Kontakt hatte und keinen gültigen Impfschutz hat, kann das Veterinäramt die Tötung anweisen. Das ist dann der Supergau, wenn ein gesunder Hund eingeschläfert werden muss, von Amts wegen, weil die Impfung fehlt. Dieses Risiko ist natürlich sehr gering, aber wenn es passiert, ist es eine Katastrophe für alle Beteiligten.

Und bei Katzen?
Da sieht es anders aus. Eine Katze, die im Freilauf in Darmstadt in den Hinterhöfen und im Garten herumspaziert, muss man sicher nicht gegen Tollwut impfen. Wir beraten unsere Kunden zu solchen Fragen ausführlich. In der Regel sind die Menschen, die zu uns in die Praxis kommen, eher zu besorgt und man muss ihnen die Ängste nehmen.

Hat das zugenommen, Stichwort Vermenschlichung?
Es heißt ja immer, „das letzte Kind hat Fell“ (lacht). Viele Haustiere haben eine sehr enge Bindung an ihre Halter, aber das war vor 30 Jahren, als ich mit der Praxis angefangen habe, auch schon so. Eine Kollegin aus Österreich sagte mal: „Den Leuten fehlt der Hausverstand“ – damit meint der Österreicher den gesunden Menschenverstand, Dinge einschätzen zu können. So werden harmlose Situationen mit dem Haustier oft als Notfall tituliert, weil die Tierhalter nicht einschätzen können, was wirklich ernst ist und was nicht. So gibt es viel unnötige Aufregung um harmlose Erscheinungen, die dann die Notdienste belasten.

Zum Beispiel?
Der Hund hat ein, zwei Mal erbrochen nach dem Spaziergang. Das machen Haustiere eben manchmal, wenn sie etwas gefressen haben, was sie nicht sollten. Auch ein Mensch hat mal Situationen, in denen er erbricht, ohne gleich in die Notaufnahme zu gehen. Oder man hat sich den Fuß verknackst und kann ein paar Stunden nicht richtig auftreten. Manchmal sind die Symptome schon wieder weg, wenn die Tiere in der Praxis vorgestellt werden, weil das Füßchen schon nicht mehr wehtut oder das Erbrechen weg ist. Ich sage immer: „Überlegen Sie mal, was Sie als Mensch machen würden in der gleichen Situation.“

»Man kann noch so ein guter Tierarzt sein, aber wenn man die Zähne nicht auseinanderbekommt, wird man keinen Erfolg haben.«

Wieviel Anteil Ihrer Arbeit ist eigentlich am Tier und wieviel am Menschen?
Das teilt sich hälftig auf. Unsere eigentlichen Patienten sind natürlich die Tiere, aber der Tierhalter muss alles verstehen, akzeptieren und er muss es letztlich auch bezahlen. Das Wissen der Tierhalter über medizinische Dinge ist aber auch viel größer geworden und damit auch der Gesprächsbedarf.

Würden Sie sagen, ein guter Tierarzt muss ein Menschenfreund sein?
Unbedingt. Das Problem ist, dass viele Menschen Tierarzt werden, weil sie mit Tieren besser klarkommen als mit Menschen. Das ist für einen Tierarzt in der Kleintierpraxis der falsche Zugang. Mancher muss es dann im Lauf des Lebens erst erlernen, denn das ist das A und O. Man kann noch so ein guter Tierarzt sein, aber wenn man die Zähne nicht auseinanderbekommt, wird man keinen Erfolg haben. Niemand will, dass seine Katze auf den Tisch gesetzt wird, eine Spritze in den Po gejagt bekommt, dann zurück in den Korb kommt, es gibt einen Stempel in den Impfpass und niemand sagt einen Ton. Die Leute wollen kommunizieren und auch ein positives Erlebnis in der Praxis haben.

Was sind die häufigsten Fehler, die Tierhalter machen?
Eine zu gut gemeinte Ernährung. Hier ist das Problem oft, dass es mehrere Tierhalter gibt und das Tier von mehreren Menschen gefüttert wird und überall Kekse abgreift. Zum Beispiel, wenn jüngere Leute einen Hund haben und ihn tagsüber, während sie arbeiten, zu den Eltern geben. Viele Kunden haben ein Einsehen, wenn sie sehen, dass das Übergewicht zu gesundheitlichen Problemen führt, wenn man ihnen sagt, ihr Tier hat Schmerzen und muss jetzt mal ein paar Kilo abnehmen.

Es gibt ja bei Hunden immer mehr rassebedingte Krankheiten, oder?
Ja, das nimmt zu, insbesondere weil die kurznasigen Rassen in Mode gekommen sind. Insbesondere Französische Bulldogge und Mops sind da zu nennen. Sie wurden immer mehr auf Kurznasigkeit gezüchtet, um ein menschenähnliches Antlitz zu bekommen, so eine Art Kindchenschema, was die Leute anspricht. Den Haltern ist oft gar nicht klar, was sie sich da antun, bis der Hund größer wird und nachher schwere Operationen über sich ergehen lassen muss, weil er sonst ersticken würde. Es wird aber jetzt immer mehr für das Thema sensibilisiert. Der Trend zu ungewöhnlichen Farben und ungewöhnlichem Äußerem der Tiere hat zugenommen – und das zum Nachteil der Tiere.

Dabei sagen viele, das Schnorcheln und Schnarchen vom Mops ist so süß …
Letztendlich ist es ein Zeichen dafür, dass der Hund Atemnot hat.

Martin Kniese mit Hündin Elza in seinem Jagdrevier in der Grube Messel.

Sie sind ja Jäger und haben Ihr Revier in der Grube Messel. Wie kam es dazu?
Mich hat das ganze Thema Wildbiologie sehr interessiert. Wir brauchen die Jagd zum Erhalt unseres Waldes und unserer Kulturlandschaft. Außerdem war die Ernährung für mich ein Thema. Ich habe mich mit meinem Fleischkonsum beschäftigt und wollte kein Fleisch aus der Massenproduktion mehr essen. Und selbst gejagtes Fleisch ist eben das beste Lebensmittel, wenn es ordentlich und tiergerecht gejagt ist. Sehr viele Tierärzte sind Jäger, die meisten machen es aber heimlich. Das ist ein heikles Thema, weil Jäger in der Öffentlichkeit oft negativ dargestellt werden und – teils zurecht – in der Kritik stehen. Ich bin auch Ausbilder und Prüfer für Jäger, einfach weil es mir ein Anliegen ist, dass die Jagd tiergerecht durchgeführt wird und dass sich die Jagd modernisiert. Ich habe mir extra ein Jagdrevier ausgesucht, wo die Jagd wegen der anderen Nutzer der Grube, nur verhalten ausgeübt werden darf.

Ihre Hündin ist ja heute mit Ihnen hier in der Praxis. Ist sie der einzige Hund, der keine Angst vorm Tierarzt hat?
Elza ist nicht so begeistert, weil hier immer komische Sachen mit ihr passieren wie Krallen schneiden und Haare kämmen, aber sie kommt tapfer mit und liegt dann ruhig im Büro. Ein zweiter Hund, den es immer gab, ist bei uns im Garten begraben. Außerdem gibt es eine Katze und zwei Schildkröten.

Hündin Elza ist Martin Knieses siebter Hund. Sie ist ein „Irish Wolf Hound“, ein irischer Wolfhund, eine der größten Hunderassen.

Gibt es eigentlich auch Situationen, die Sie schlecht abschütteln können und die Sie mit nach Hause nehmen?
Wenn man den Beruf, den ich jetzt seit 35 Jahren mache, halbwegs unbeschadet überstehen will, bei all dem Unerfreulichen, muss man klare Grenzen ziehen zwischen der Arbeit und dem Privaten. Nicht umsonst haben Tierärzte die höchste Suizidrate von allen akademischen Berufen. Was mir aber zunehmend schwerer fällt, ist wenn ich Patienten, die ich, vom Welpenalter an, seit 15 Jahren kenne, erlösen muss. Das ist etwas, von dem ich dachte, dass es mir mit der Zeit leichter fallen würde. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der letzte Gang zum Tierarzt ist etwas, was ich gerne den Tierärztinnen in meiner Praxis überlassen würde, nichtsdestotrotz mache ich es gerade bei langjährigen Kunden häufig noch selbst. Ich wünschte, die Tiere würden von alleine zuhause sanft einschlafen, was aber leider so gut wie nie passiert.

»Sehr viele Tierärzte sind Jäger, die meisten machen es aber heimlich.«

ZUR PERSON
Martin Kniese, Jahrgang 1958, betreibt seine Praxis in der Wilhelm-Glässing-Straße 2 (unmittelbar am City-Tunnel) seit 1992. Neben ihm sind dort vier weitere Tierärztinnen beschäftigt. Er ist verheiratet und lebt in Darmstadt.

Buchtipp zum Thema

In „Das Kuscheltierdrama“ erzählt der Berliner Veterinär Achim Gruber aus seinem Alltag als Tierpathologe. Untertitel: „Über das stille Leiden der Haustiere“. Eine Mischung aus Sachbuch, Ratgeber und Krimi – denn viele der beschriebenen Fälle lesen sich wie ein Krimi. Das Buch ist 2019 als Taschenbuch und E-Book erschienen.

Das Kuscheltierdrama · ISBN 978-3-426-30202-6 · Droemer


Was flattert da im Garten?

Foto: NABU

Das Rotkehlchen, das unsere Titelseite ziert, ist leicht zu erkennen. Doch wie sieht eine Haubenmeise aus? Oder ein Girlitz? Und was für ein Vogel verbirgt sich hinter dem ulkigen Namen Baumpieper? Das kann man jetzt ganz leicht mit einer App des Naturschutzbunds (Nabu) herausfinden. Die kostenfreie Basisversion von „Nabu Vogelwelt“ bietet Porträts von mehr als 300 heimischen Vogelarten mit Bestimmungstafel inklusive Fotos. Außerdem kann man über die App Vögel im eigenen Garten melden und sich so an den jährlichen Nabu-Zählaktionen „Stunde der Wintervögel/Gartenvögel“ beteiligen. Mehr zur Wintervogelfütterung auf der Homepage des NABU's, www.nabu.de/wintervogelfuetterungmara


Pinocchio – Unser Happy End

Fundhund Pinocchio überlebt nur knapp – und ist heute glücklich im neuen Rudel

Von Mara Pitz
Fundsituation im Darmstädter Wald

Pinocchio wurde im Juni vom Förster im Darmstädter Wald gefunden. In einer Betonröhre versteckt saß er, eingesperrt in einer Box, ohne Futter, ohne Wasser. Im Tierheim wurde der abgemagerte Junghund aufgepäppelt und fand ein neues Zuhause.

Heute wohnt Pino, wie er jetzt gerufen wird, bei Eva Mörtel und ihrem Mann in Groß-Gerau. „Der hat sich so schnell hier eingelebt, das habe ich noch bei keinem Hund erlebt“, schwärmt Mörtel im Gespräch mit Tierisch gut. Zum Haushalt gehören außerdem die Nackthunde Einstein und Pinky sowie Hündin Tiffy. Alle drei haben Pino „sofort im Rudel akzeptiert“, als er Mitte August einzog. Vom ersten Tag an ist Pino mitgelaufen und habe alles ganz selbstverständlich mitgemacht: Er geht mit ins Büro, läuft frei ohne Leine, fährt problemlos im Auto mit. „Und er strotzt vor Selbstbewusstsein!“

Übergangsphase im Tierheim Darmstadt

Nur manchmal zeigt sich, dass er schlechte Erfahrungen gemacht haben muss: „Im Dunkeln knurrt er fremde Männer an“, berichtet Mörtel. Am Anfang bellte er bei jedem Geräusch, war rastlos, kaum zur Ruhe zu bringen, das hat sich aber gebessert. „Und zudecken, das ging gar nicht“, erinnert sich die 35-Jährige. Da bekam er Angst.

Wo und wie er seine ersten Lebensmonaten verbrachte, wird wohl ein Rätsel bleiben. Neben dem verdreckten Kennel, in dem man ihn in der Nähe des Oberfelds fand, wurden Hasendraht und ein Spaten gefunden. Was hatte die Person damit vor? Kam Pino über einen illegalen Welpentransport nach Deutschland und wurde „aussortiert“? Fest steht: Er gehört einer sehr seltenen Hunderasse an. Peruanische Nackthunde sind eine windhundförmige Hunderasse und sollen bereits seit 1000 Jahren in Südamerika existierten. Sie sind eng verwandt mit den mexikanischen Nackthunden und dem chinesischen Schopfhund, der seinen Namen dem Haarbüschel auf dem Kopf verdankt.

Pino's neues Rudel

Nackthunde gelten als besonders willensstark und eigensinnig. Das ist es auch, was Eva Mörtel so an diesen Rassen fasziniert („Die kann man nicht veräppeln“). Als bekannt wurde, dass ausgerechnet ein Nackthund ausgesetzt wurde und im Darmstädter Tierheim ein Zuhause sucht, habe „ungefähr jeder“, den sie kenne, sie angeschrieben und darauf aufmerksam gemacht. Eigentlich wollten Eva Mörtel und ihr Mann keinen vierten Hund. Trotzdem fiel die Entscheidung, Pino aufzunehmen, schnell. „Das war Schicksal.“

Foto: Eva Mörtel